Das deutsche Gesundheitssystem steht vor großen Herausforderungen: Fachkräftemangel, demografischer Wandel und steigende Kosten belasten die Versorgung. Viele Menschen erleben die aktuelle Situation als unbefriedigend und nicht lebensnah. Das System ist nicht zukunftsfähig und braucht dringend neue Impulse. Die Digitalisierung bietet für unser zukünftiges Gesundheitssystem enorme Chancen. Bislang bleibt ihr Potenzial weitgehend ungenutzt. Dabei fehlt es nicht an innovativen Technologien oder politischem Willen, sondern an der konsequenten Implementierung und dem zielgerichteten Einsatz digitaler Möglichkeiten in der Versorgung sowie dem richtigen Augenmaß in der Gesetzgebung. Forschung, Versorgung und Wirtschaft dürfen nicht länger getrennt gedacht werden. Nur wenn wir die Fragmentierung des Systems überwinden und die bestehenden Grundlagen, die auf EU-Ebene mit dem European Health Data Space (EHDS) sowie national mit Gesetzen wie dem Digitalgesetz (DigiG) und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) gelegt wurden nutzen, können wir eine nachhaltige Verbesserung der Versorgung sicherstellen.
Der Wettbewerb ist der beste Treiber für Innovationen und sollte gestärkt, nicht geschwächt werden. Dafür sind klare Leitplanken notwendig, jedoch keine Überregulierung. Die zukünftige gematik (Digitalagentur für Gesundheit) sollte dabei zentrale Vorgaben festlegen und den Fokus auf Interoperabilität und realitätsnahe Spezifikationen legen. Eine Verstaatlichung des Gesundheitswesens wird entschieden abgelehnt, wobei die Bedeutung klarer Governance-Strukturen mit einer unabhängigen Gewaltenteilung betont wird. Neben internationalen Best Practices müssen auch nationale Erfahrungen genutzt werden. Anwendungen, die der Markt nachfragt, dürfen nicht durch staatliche Vorgaben blockiert werden. Erfahrene Experten aus der Wirtschaft müssen stets frühzeitig in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, um Erfahrungen einbringen zu können.
Eine stärkere datengetriebene Forschung auf Basis qualitativ hochwertiger, interoperabler Daten, einschließlich der Integration von Routine-Abrechnungs- und Registerdaten, muss das Ziel sein. Die Datenvernetzung muss dabei IP-Rechte und Trade Secrets schützen, während kollaborative Datenraumprojekte gefördert werden. Um Interoperabilität sicherzustellen, sollten international bewährte Standards verpflichtend sein und Anreize für das freiwillige Teilen von Daten geschaffen werden. Zudem muss die Verordnungs-Ermächtigung des BMG nach §363 (8) SGB V auf den Weg gebracht werden, um die Datenausleitung aus der elektronischen Patientenakte (ePA) an Dritte zu ermöglichen. Eine vollumfängliche Nutzung dieser Daten für Studien und Forschungszwecke ist entscheidend für den Fortschritt im Gesundheitswesen.
Ein kohärenter Rechtsrahmen auf EU- und nationaler Ebene ist entscheidend, um Rechtsunsicherheiten für Unternehmen zu vermeiden. Die EU-Gesetzgebung muss agil in nationales Recht übertragen werden, um die europäische Anschlussfähigkeit sicherzustellen. Die erfolgreiche Implementierung des EHDS ist dabei zentral. Der Nutzen digitaler Lösungen sollte durch Reallabore sichtbar gemacht werden, die schnelle Markteinführungen ermöglichen. Angekündigte Gesetze, wie das Registerdatengesetz sowie Verordnungen zum DigiG/GDNG, müssen intensiv verfolgt sowie praktikabel ausgestaltet werden. Rechtsunsicherheit durch uneinheitliche Auslegung der DSGVO und unterschiedliche Landesregelungen, insbesondere zur Anonymisierung, bleiben eine Hürde. Ein Bundesgesetz zur medizinischen Forschung und eine klare Legaldefinition zur Anonymität von Gesundheitsdaten sind notwendig.
Deutschland kann im Gesundheitswesen nur durch einen gezielten nationalen Kraftakt zur führenden KI-Nation werden. Dafür sind Investitionen in KI-Infrastruktur, Cloud-Technologien und rechtliche Klarheit, insbesondere bei MDR/IVDR und der KI-Verordnung, entscheidend. Gesundheitsdaten sollten umfassend für KI-Anwendungen genutzt werden, mit gezielten Einschränkungen im Einzelfall. Gleichzeitig sind klare ethische Leitlinien notwendig, um eine verantwortungsvolle Nutzung von KI sicherzustellen. Die begrenzte Nutzung deutscher Gesundheitsdaten könnte die Patientenversorgung beeinträchtigen, da KI idealerweise mit lokalen Daten trainiert werden sollte.
Telemedizin und -pharmazie müssen fest etabliert werden. Die Gesundheits-ID muss flächendeckend genutzt und benutzerfreundlich, unter Berücksichtigung anstehender eIDAS-Konformität, gestaltet werden. CardLink, aktuell als Übergangstechnologie genutzt, sollte auch auf telemedizinische Anwendungen und DiGAs ausgeweitet werden. Eine Fristverlängerung über Q1 2026 hinaus ist dabei dringend erforderlich, um die digitale Patienten-Journey sicherzustellen, bis äquivalente nutzbare Alternativen zur Verfügung stehen. Die ePA wird durch ihre patientennahe Nutzung eine zentrale Rolle spielen. Eine fortlaufende Weiterentwicklung z. B. mit datengestützten Services wie Erinnerungen und Chatfunktionen ist daher unerlässlich. Der digitale Impfpass in der ePA könnte enorme Chance bieten, die Impfquoten zu erhöhen, beispielsweise durch Erinnerungsfunktionen. Videodolmetschen sollte in Praxen integriert werden, wobei bei allen Maßnahmen das selbstbestimmte Handeln und die Datensouveränität der Versicherten sichergestellt werden müssen.
Deutschland braucht einen Neustart. Wir müssen wieder ein Zukunftsland werden: mit einer klaren Vorstellung davon, wohin wir steuern; mit guten, innovativen Ideen; mit Lust aufs Neue. Damit das gelingt, müssen die Grundlagen stimmen: Wir brauchen Wachstum und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und wir müssen für Sicherheit und einen modernen Staat sorgen. Dort ist in den letzten Jahren zu viel liegengeblieben, es gibt also viel zu tun. Wir haben dafür konkrete Ideen: