Unser Energiesystem steckt mitten im Umbruch und wandelt sich so schnell wie kaum zuvor. Ambitionierte Klimaziele bringen einen ebenso ambitionierten Ausbau erneuerbarer Energien mit sich. Gleichzeitig verändern Elektromobilität, Digitalisierung und die Dekarbonisierung der Industrie die Energienachfrage. Das hat Folgen für das Stromnetz: Es braucht mehr Flexibilität und muss mit einer dezentraleren Energieerzeugung- und Abnahme umgehen. In der letzten Legislatur wurden einige Weichenstellungen für die Beschleunigung der Energiewende und ein zunehmend digitales Energiesystem vorgenommen: Vom Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNdEW) und die Festlegungsverfahren zu § 14aa EnWG über Maßnahmen zur Ausbaubeschleunigung von Solar- und Windenergie bis zum Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Dabei wurden einige sinnvolle Änderungen und Verbesserungen vorgenommen, insgesamt haben es die energiepolitischen Projekte der aktuellen Legislatur allerdings verpasst, das entscheidende Momentum hin zu einem smarten, digitalen und resilienten Energiesystem aufzubauen. Insbesondere angesichts der schnellen und dynamischen Entwicklung bei Schlüsseltechnologien wie Big Data oder Künstlicher Intelligenz muss die zukünftige Bundesregierung ambitioniert und mit einer konkreten Zukunftsvision für den Energiesektor von morgen antreten. Die Umsetzung dieser Zukunftsvision sollte nutzenorientiert, unkompliziert und dereguliert gestaltet sein.
Netzanschlussanträge und -prozesse zwischen Netzbetreiber und Kunden müssen in allen Netzgebieten (einschließlich im Mittelspannungsnetz) bundesweit digitalisiert, vereinheitlicht und standardisiert werden. Gleiches gilt für Antragsdokumente und für die Anschlussbewertung von Netzanschlüssen verbunden mit einer verpflichtenden Verwendung durch die Verteilnetzbetreiber (VNB). Diese sollten ein für alle Anschlusspetenten zugängliches Online-Portal bereitstellen, damit Antrags- und Angebotsprozess digital serviciert werden können. Es müssen zudem ein zuverlässiger, digitaler Kommunikationskanal zwischen Anschlussgebern und Anschlussnehmern, klare Zeitvorgaben und Transparenz für Netzanschlussantragseingangsbestätigung, Netzanschlussangebot und Umsetzung geschaffen werden. Netznutzer und IT-Wirtschaft müssen bei Standardisierungsfragen branchenübergreifend beteiligt werden.
Ob im Planungsprozess, für Prognosen, Wartung und Sicherheitsanalysen, Dokumentation oder Kundenkommunikation: Künstliche Intelligenz kann enorm helfen, Stromnetze intelligenter und damit effizienter zu machen. Bei der Nutzung von KI im Stromnetz besteht noch deutliches Entwicklungspotenzial. Die nächste Bundesregierung muss den vielfältigen Nutzen von KI im Stromnetz anerkennen und den Einsatz unterstützen. Hierfür gilt es einerseits, durch eine aktivierende Beteiligung und Vernetzung aller relevanten Branchenakteure Synergien zwischen Digital- und Energiebranche zu nutzen. Andererseits müssen bestehende regulatorische Rahmenbedingungen bei Bedarf angepasst werden, um keine unnötigen Hürden für die KI-Nutzung aufzubauen oder zu erhalten. Der Bitkom steht bereit, sich in einem entsprechenden Dialogprozess aktiv einzubringen.
Mit dem GNdEW hat der Gesetzgeber in dieser Legislatur umfangreiche Änderungen am Rechtsrahmen vorgenommen. Angesichts der ambitionierten Zeitplanung für den weiteren Smart-Meter-Rollout muss die technische Ausgestaltung dieses Rechtsrahmens einen schnellen Rollout priorisieren und nur zwingend notwendige Anforderungen an Intelligente Messsysteme regeln. Hierfür müssen alle relevanten Akteure der Branche intensiv beteiligt und die administrativen Strukturen und Prozesse auf Bundesebene so effektiv und zielorientiert wie möglich ausgestaltet werden.
Die im Markt umzusetzenden Geschäftsprozesse zur Prozessabwicklung und Datenaustausch der verschiedenen Marktakteure untereinander werden kontinuierlich an die sich verändernde gesetzliche Lage angepasst. Hierbei muss die Bundesregierung bei zukünftigen Regelungsvorhaben darauf achten, dass IT-Anforderungen praktikabel und vor allem mit für IT-Projekten realistischen zeitlichen Vorgaben umgestellt werden und auch im Betrieb den wirklichen Geschäftsprozessen sinnvolle Wartungsbedingungen existieren. So kann die Digitalwirtschaft entsprechend verlässliche und wirtschaftliche Services zur Verfügung stellen.
Deutschland braucht einen Neustart. Wir müssen wieder ein Zukunftsland werden: mit einer klaren Vorstellung davon, wohin wir steuern; mit guten, innovativen Ideen; mit Lust aufs Neue. Damit das gelingt, müssen die Grundlagen stimmen: Wir brauchen Wachstum und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und wir müssen für Sicherheit und einen modernen Staat sorgen. Dort ist in den letzten Jahren zu viel liegengeblieben, es gibt also viel zu tun. Wir haben dafür konkrete Ideen: