Als größter IT-Beschaffer in Deutschland hat der Staat eine enorme Marktmacht und damit erheblichen Einfluss auf den Wettbewerb. Aber anstatt Wettbewerbs- und Technologieoffenheit, Standards und offene Schnittstellen zu fördern, schotten sich staatliche Akteure bei der Nutzung digitaler Lösungen regelmäßig vom Rest des Ökosystems ab. Innovative Entwicklungen aus dem GovTech-Bereich und wettbewerbsfähige Leistungen des deutschen IT-Mittelstands werden so viel zu selten für die Verwaltungsdigitalisierung nutzbar gemacht. Gleichzeitig braucht es für die Beschleunigung der Verwaltungsdigitalisierung Wege, um neue Technologien schnell in den Einsatz zu bringen. Auf beide Probleme gibt es eine klare Antwort: Beschaffungsprozesse müssen deutlich vereinfacht und beschleunigt, die Anforderungen an die Zusammenarbeit mit privaten Anbietern konkretisiert und damit die Voraussetzungen für ein transparentes, faires und technologieoffenes System für den Einsatz digitaler Lösungen in der Verwaltung geschaffen werden.
Unterschiedliche Vergabegesetze des Bundes und der Länder führen dazu, dass die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen für Unternehmen mit erheblichem Prüfaufwand und bürokratischen Hürden verbunden ist. Die durchschnittliche Anzahl der abgegebenen Angebote pro Ausschreibung ist seit Jahren rückläufig. Die Antwort darauf kann jedoch nicht sein, immer mehr öffentliche Aufträge dem Vergaberecht zu entziehen (z. B. durch Inhouse-Vergaben oder die Initiierung von Eigenentwicklungen). Erforderlich ist vielmehr eine Harmonisierung und Vereinfachung der vergaberechtlichen Regelungen sowie eine vollständige Digitalisierung der öffentlichen Beschaffung – von der Bedarfsanmeldung bis zur Rechnungsstellung inklusive einer Ebenen übergreifenden Präqualifizierungsplattform.
Ziel muss es sein, die Prozesse zur Beschaffung digitaler Lösungen (insb. digitaler Verwaltungsleistungen, Fachverfahren und KI-Tools) von Bund, Ländern und Kommunen zu vereinfachen, zu beschleunigen sowie einheitliche IT-Standards zu etablieren. Erreicht wird dies durch die Zusammenführung bestehender Initiativen wie dem EfA-Marktplatz und dem Cloud-Service-Portal zu einem zentralen Marktplatz für digitale Lösungen nach dem Vorbild der Government Cloud im Vereinigten Königreich. Behörden können über den digitalen Marktplatz aus diesen vorab genehmigten Diensten auswählen und sie direkt beziehen, ohne dass für jeden einzelnen Auftrag ein neuer Vertrag ausgehandelt werden muss. Dabei muss der Zugang auch für private Lösungsanbieter offen sein, um ein breites Spektrum an innovativen Angeboten zu gewährleisten. Die strategische Ausrichtung der IT-Beschaffung muss im Bundesbereich ressortübergreifend organisiert sein, d. h. die Planung, Koordinierung und Budgetierung erfolgt zukünftig über eine zentrale Stelle, bspw. durch die Etablierung eines Chief Procurement Officers (CPO) im Zuständigkeitsbereich des CIO des Bundes.
84 Prozent aller Startups wünschen sich von der Politik einen vereinfachten, rechtssicheren Zugang zu öffentlichen Aufträgen. Derzeit beteiligen sich jedoch noch zu wenige Startups, GovTechs und sonstige innovative Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen, insbesondere aufgrund der Komplexität der Verfahren. Junge Unternehmen profitieren v.a. von schlanken und standardisierten Beschaffungsprozessen sowie einer sachdienlichen Definition der Anforderungen im Bereich der Projektreferenzen. Wir schlagen zudem die Weiterverfolgung der durch das Vergabetransformationspaket entworfenen Experimentierklausel vor, die es ermöglicht, bei besonders innovativen Lösungen und einem Auftragswert von bis zu 100.000 € nur ein Unternehmen zur Abgabe eines Angebotes aufzufordern (Hamburger Modell).
Personalmangel, veraltete IT-Systeme oder hohe Antragsvolumina verursachen immer wieder Rückstände bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen. In der Privatwirtschaft setzt man zunehmend auf Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS) und Managed Services-Modelle zur Erledigung unterstützender Prozesse (z. B. im Rechnungs- oder Personalwesen). Im öffentlichen Sektor scheitert dies oft an der Komplexität der Vergabeverfahren und für den Markt akzeptablen Regelungen, etwa zu Haftung und Datenschutz. Auch Performance-orientierte Vergütungsmodelle sind selten. Eine Vereinfachung und Novellierung rechtlicher Vorgaben und mehr Spielräume sind nötig, um die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren den veränderten Bedingungen anzupassen.
Deutschland braucht einen Neustart. Wir müssen wieder ein Zukunftsland werden: mit einer klaren Vorstellung davon, wohin wir steuern; mit guten, innovativen Ideen; mit Lust aufs Neue. Damit das gelingt, müssen die Grundlagen stimmen: Wir brauchen Wachstum und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und wir müssen für Sicherheit und einen modernen Staat sorgen. Dort ist in den letzten Jahren zu viel liegengeblieben, es gibt also viel zu tun. Wir haben dafür konkrete Ideen: