Das Urheberrecht schützt kreative Menschen und fördert Investitionen in kreative Inhalte. Der beste Schutz nützt aber nichts, wenn der Song in der Schublade bleibt und niemand ihn hört. Daher muss Urheberrecht auch Teilhabe ermöglichen. Hierfür ist ein Umfeld wichtig, das neue Geschäftsmodelle, technologische Innovationen sowie europäische und internationale Wettbewerbsfähigkeit erlaubt. Überregulierung und komplexe Rechteklärung verhindern Teilhabe. Teils zwingen sie sogar Anbieter kreativer Inhalte zu ökologisch wie ökonomisch unvertretbaren Lösungen.
Die Gesetzgebenden müssen daher auch in der neuen Legislaturperiode die Anpassung des Urheberrechts an einen Digitalen Binnenmarkt weiter fortsetzen. Bedauerlicherweise fehlt es dem Koalitionsvertrag an einem klaren Bekenntnis zum Schutz geistigen Eigentums. Ein konkretes Projekt sollte hierbei die Überarbeitung des Modells der pauschalen Abgaben für Privatkopien sein. Als Aufschlag auf Tonbandgeräte vor 50 Jahren eingeführt, müssen Verbraucher heute zusätzlich zum Kaufpreis Abgaben auf Smartphones, Tablets und Smartwatches zahlen. Das Modell ist aus der Zeit gefallen, denn bei Verbraucherinnen und Verbrauchern stehen längst Streaming-Dienste im Vordergrund, bei denen gar keine Privatkopien möglich sind. Die Gesetzgebenden sollten daher als Alternative hierzu ein geräteunabhängiges und technologieneutrales Finanzierungsmodell finden, um künstliche Handelsbarrieren abzubauen und den Technologiestandort Deutschland zu stärken.
In Bezug auf die Rechtenutzung sollten sie einen Rahmen aufrechterhalten, der zu weiteren Investitionen in kreative Werke ermutigt und illegaler Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten entgegenwirkt. Sie werden immer wieder neu die Balance zwischen den berechtigten Interessen der Kreativen, Werkvermittler und Nutzer finden müssen, wenn er sie Kreativität, Kreativwirtschaft und Teilhabe fördern wollen.
Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform evaluieren: Die im Juni 2021 in Kraft getretenen Änderungen des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) und das im August 2021 neu eingeführte Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) haben einen bunten Strauß an Urheberrechtsfragen auf nationaler Ebene neu geregelt. Politisch wurden die Vorgaben der EU-Urheberrechtsreform häufig auf die Verantwortung von bestimmten Onlinediensten (Art. 17 DSM-RL) und das Leistungsschutzrecht für Presseverleger (Art. 15 DSM-RL) reduziert. Die deutschen Gesetzgebenden sind bei der Umsetzung der Richtlinie zu Lasten der Digitalwirtschaft über die Vorgaben der EU hinausgegangen. Es ist zu begrüßen, dass die neue Bundesregierung die Gesetzesänderungen u.a. im Hinblick auf die Praxistauglichkeit evaluieren möchte. Die Evaluation sollte sich weniger an der politischen, sondern an der wirtschaftlichen Bedeutung orientieren. Besonders bei derart kontroversen Themen müssen Sachlichkeit, Transparenz und die Einhaltung von EU- und internationalem Recht noch mehr in den Vordergrund gestellt werden.
Nur einfache und transparente Systeme zur Rechteklärung führen zu einer Kreativwirtschaft, die auch online und on demand Teilhabe schafft. Seit 2016 gilt ein EU-Rechtsrahmen für Verwertungsgesellschaften, der dies ermöglichen soll. Doch es zeigt sich, dass dieser in Ausgestaltung und Umsetzung unzureichend ist. Der pan-europäische Markt von Musikrechten ist zunehmend intransparent und durch die Marktmacht kollektiver Lizenzgeber geprägter geworden ist. Das eigentliche Ziel der Richtlinie, verbesserte länderübergreifende Lizenzierungsmöglichkeiten von Urheberrechten an Musikwerken für die Online-Nutzung zu erreichen, wurden nicht nur verfehlt, sondern das Gegenteil ist eingetreten: Verwertungsgesellschaften bzw. von ihnen gegründete kommerzielle Unternehmen nutzen ihre Verhandlungsmacht einseitig gegenüber potenziellen Lizenznehmern aus und behindern damit Innovation und Wettbewerb. Die Bundesregierung sollte in Brüssel daher auf eine umfassende Reform und bessere Durchsetzung des Rechtsrahmens drängen.
Ressourcen in der Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes stärken: Das deutsche Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) sieht vor, dass ein Großteil der Rechtsstreitigkeiten zum Urheberrecht zentral und damit mit gebündelter Expertise bei der Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes zu verhandeln ist. Die Schiedsstelle ist jedoch mit ihren derzeit vorhandenen wenigen Ressourcen derart überlastet, dass sie ihre Aufgaben kaum wahrnehmen kann und z.B. ihre Verpflichtung, innerhalb eines Jahres zu entscheiden (wie im VGG vorgesehen), nicht annährend einhalten kann. Hier muss die Bundesregierung dringend nachsteuern und das Personal wenigstens um das Doppelte aufstocken. Anderenfalls kann das Ziel Rechtsstreitigkeiten zum Urheberrecht mit gebündelter Expertise, zentral und schnell zu lösen, nicht erreicht werden.
Immer mehr Menschen nutzen heute Fernsehangebote mit einer viel größeren Flexibilität als früher. Es sollte ermöglicht werden, dass genau diese Angebote nutzerfreundlich und ressourcenschonend aufgerufen werden können. Dazu bedarf es eines vereinfachten und gebündelten Rechteklärungsystems wie es dies bei der Weitersendung von TV-Inhalten gibt. Die Funktionalität des Internet PVR sollte durch den Zugriff auf eine Masterkopie mit individualisiertem Zugriff ermöglicht werden. Aktuell wird diese Funktionalität allein wegen des Urheberrechts nicht nur künstlich verkompliziert und verteuert, sondern ökologisch in nicht vertretbarer Weise umgesetzt, indem eine Vielzahl an Sendungen auf ein und demselben Server mehrfach gespeichert wird.
Das System der gerätebezogenen Abgaben für Privatkopien ist veraltet. Dort, wo Privatkopien heute noch stattfinden, sollten sie künftig über ein technologieneutrales und geräteunabhängiges Modell kompensiert werden. Vorbild für ein neues Modell können hierbei andere europäische Länder wie z. B. Norwegen, Finnland und Island sein, in denen dieser Wandel bereits vollzogen wurde.