Digitale Technologien können wesentlich dazu beitragen, dass Deutschland seine Klimaziele im Stichjahr 2030 erfüllt. Wie die neue Bitkom-Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung 2.0“ zeigt, kann der jährliche CO2-Ausstoß in Deutschland im Jahr 2030 mithilfe digitaler Technologien um rund 43 bis 80 Millionen Tonnen reduziert werden, je nach Digitalisierungsgeschwindigkeit. Dabei handelt es sich um einen Netto-Effekt, bei dem die CO2-Emissionen u.a. von Rechenzentren und Endgeräten bereits berücksichtigt sind.
Im Jahr 2030 darf Deutschland nur noch 438 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Dazu hat sich die Bundesregierung mit der Novellierung des Klimaschutzgesetzes 2021 verpflichtet. Das heißt: Verglichen mit 2022 sind Einsparungen von 308 Millionen Tonnen CO2nötig.
In den vergangenen 32 Jahren (1990–2022) hat Deutschland seine Emissionen um 40,4 Prozent reduziert, während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im gleichen Zeitraum um ca. 197 Prozent gewachsen ist. Das heißt, dass die Emissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 505 Millionen Tonnen geringer waren. Deutschland hat also jedes Jahr durchschnittlich 16 Millionen Tonnen weniger emittiert als im Jahr davor; auch durch Sondereffekte wie den Rückbau der Schwerindustrie der ehemaligen DDR oder die Corona-Pandemie.
Deutschland muss bis 2030 nun jedes Jahr durchschnittlich 39 Millionen Tonnen CO2 weniger ausstoßen. Heißt: Die CO2-Reduktion muss 2,5-mal schneller gelingen als bisher.
Digitale Technologien können wesentlich dazu beitragen, die Klimaziele für das Jahr 2030 zu erreichen. Digitale Technologien können – je nach Szenario – netto insgesamt 43 bis 80 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das sind 14 bis 26 Prozent des genannten Minderungsziels in Höhe von 308 Millionen Tonnen CO2. Diese Klimaeffekte ergeben sich nach Abzug des eigenen CO2-Fußabdrucks der digitalen Technologien.
Die Berechnungen zeigen: Im Jahr 2030 wird die Nutzung der beschriebenen Technologien ~2 bis 4 Millionen Tonnen CO2 verursachen. Wird der CO2-Ausstoß für die Herstellung und Entsorgung der digitalen Technologien hinzugerechnet, steigt der Fußabdruck auf rund 6 bis 11 Millionen Tonnen.
Das Einsparpotenzial digitaler Technologien ist also deutlich größer als der erzeugte CO2-Ausstoß. Der sogenannte Enablement-Faktor liegt zwischen 6 und 9. Der Enablement-Faktor misst das Verhältnis zwischen den CO2-Einsparungen und dem CO2-Fußabdruck digitaler Technologien.
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Je schneller die Digitalisierung vorangetrieben wird, desto höher sind die dadurch erzielten CO2-Einsparungen.
Die Digitalisierung im Energie-, Gebäude- und Industriesektor ermöglicht die größten Beiträge für das nationale Klimaziel. Die Sektoren Energie und Gebäude können ~9–10 Prozent zum Klimaziel 2030 beitragen; der Sektor Industrie bis zu 5 Prozent.
Das höchste relative Einsparpotenzial hat der Energiesektor: Hier liegt das Reduktionspotenzial bei ~16 Prozent der projizierten Emissionen im Energiesektor. Im Gebäude- und im Landwirtschaftssektor liegt der relative Beitrag bei ~12–13 Prozent. Sowohl in relativer als auch in absoluter Hinsicht weist der Verkehrssektor ein geringeres Einsparpotenzial auf.
Energie: Im Energiesektor entfalten digitale Technologien das größte CO2-Einsparpotenzial. Hier lassen sich bis zu 26,4 Millionen Tonnen CO2 bei einer beschleunigten Digitalisierung und 24,5 Millionen Tonnen CO2 bei einer Standard-Digitalisierung im Jahr 2030 einsparen. Ausschlaggebend sind hier zum einen Smart Grids, also intelligente Stromnetze, in denen Stromerzeugung und -verbrauch präzise gesteuert werden können. Sie nutzen Sensoren, Smart Meter und Echtzeit-Datenverarbeitung, um Angebot und Nachfrage nach Energie dynamisch auszugleichen. Zum anderen liegt hohes Einsparpotenzial in der smarten Produktion erneuerbarer Energien. Mithilfe digitaler Technologien wird die Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen zuverlässiger und effizienter. So können etwa bei Solaranlagen die Paneele je nach Sonneneinstrahlung durch den Einsatz intelligenter Steuerungssysteme und Algorithmen optimal ausgerichtet und geneigt werden. Windräder können so die Windgeschwindigkeiten und -richtungen analysieren und die Position und Winkel ihrer Rotorblätter anpassen.
Gebäudesektor: Ein Zuhause, das die Heizkörper automatisch herunterstellt, wenn ein Fenster geöffnet wird, ein Büro, das die Klimaanlage je nach Wetterverhältnissen und Anzahl der anwesenden Personen intelligent regelt: Smart Homes und intelligente, vernetzte Gebäude können viel Energie einsparen. Bei einer Standard-Verbreitung smarter Gebäudetechnologien im privaten und gewerblichen Umfeld können laut Bitkom-Studie in 2030 rund 12,4 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Bis zu 18,3 Millionen Tonnen sind es, wenn die Verbreitung smarter Technologien beschleunigt vorangetrieben wird. „Bisherige Förderprogramme für die energetische Sanierung von Gebäuden sind noch immer zu einseitig auf traditionelle Maßnahmen ausgerichtet. Den Kampf für das Klima gewinnen wir aber nicht allein mit dicker Dämmung, wir gewinnen ihn in erster Linie mit smarter Steuerung“, betont Bitkom-Vizepräsidentin Raab.
Industrie: In der industriellen Fertigung lassen sich bis zu 12,7 Millionen Tonnen CO2 bei einer beschleunigten Digitalisierung im Jahr 2030 einsparen – und 5,6 Millionen Tonnen bei einem Standard-Digitalisierungstempo. Maßgebliche Technologie ist zum einen die Automatisierung in der Produktion, bei der Anlagen und Maschinen, Werkstücke und ihre Bauteile miteinander vernetzt sind und Prozesse selbstständig unter möglichst geringem Material- und Energieeinsatz ablaufen. Zum anderen sorgt der sogenannte Digitale Zwilling für erhebliche CO2-Einsparungen: Diese virtuellen Abbilder von kompletten Produktions- und Betriebszyklen machen es möglich, dass Verfahren zunächst am digitalen statt am realen Objekt durchgeführt werden – so können massiv Material, Energie und Ressourcen gespart werden. Christina Raab: „Mit der Digitalisierung kann sich die Industrie zwei dringlichen Herausforderungen zugleich stellen: Sie wird nicht nur klimafreundlicher, sondern auch schneller und leistungsfähiger.“
Verkehr: Bis zu 9,3 Millionen Tonnen CO2 bei einer beschleunigten Digitalisierung und bis zu 3,5 Million Tonnen CO2 bei einer Standard-Digitalisierung könnten im Jahr 2030 im Verkehrssektor eingespart werden. Potenziale liegen vor allem in einem digitalen Verkehrsnetz und einer digitalen Verkehrsoptimierung, bei der etwa Sensoren an der Straße oder GPS-Systeme in Autos Echtzeit-Daten liefern, mit denen Ampeln geschaltet, Verkehrsströme umgeleitet oder öffentliche Transportmittel verstärkt werden können. Bis zu 5,5 Millionen Tonnen CO2 können auf diese Weise jährlich eingespart werden. Eine smarte Logistik, die Leerfahrten von Lkw vermeidet und Frachtrouten optimiert, ist ebenfalls ein bedeutender Hebel.
Landwirtschaft: U.a. die Herstellung von Düngemitteln erfordert große Mengen Energie. Ein erheblicher Teil des Düngers erreicht nicht die Pflanzen auf dem Feld, sondern landet auf unbepflanzten Stellen und belastet oft das Grundwasser. Mithilfe digitaler Applikatoren und einer Analyse des Bodens können diese unerwünschten Effekte drastisch reduziert werden, indem Düngemittel präzise und punktgenau an den Pflanzen aufgebracht werden. Ein großer Effekt kann auch in der Nutztierhaltung erzielt werden. So können etwa digitale Tierhaltungssysteme den Gesundheitszustand und das Fütterungsmuster von Rindern oder Schweinen überwachen. So lassen sich nicht nur Krankheiten früher erkennen, sondern vor allem Methanemissionen reduzieren. Insgesamt lassen sich durch den Einsatz der genannten Technologien in der Landwirtschaft bis zu 6 Millionen Tonnen CO2 bei einer beschleunigten und bis zu 3,5 Millionen Tonnen CO2 bei einer Standard-Digitalisierung einsparen.