Bund und Länder haben in der Corona-Krise entschlossen gehandelt. Die Frage lautet jetzt nicht nur: Wie kommen wir aus dieser Krise heraus? Die Frage ist vor allem: Was haben wir in der Krise gelernt, was ist das digitale Vermächtnis der Corona-Krise?
In der Debatte um ein Konjunkturpaket schlägt der Bitkom den Digitalpakt Deutschland vor, der konjunkturelle Maßnahmen mit einer echten Transformationsagenda verknüpft. In der aktuellen Debatte wurden bereits viele Vorschläge für ein Konjunkturpaket gemacht. Vieles davon ist richtig.
Klar ist aber auch: Wer die Wettbewerbsfähigkeit stärken will, dem darf es nicht nur ums Geld gehen. Mindestens ebenso wichtig sind regulatorische Maßnahmen, mit denen wir die Unternehmen so flankieren, dass sie sich in der globalen Wirtschaft erfolgreich entwickeln. Der Digitalpakt Deutschland ist eine solche Transformationsagenda: Er verknüpft konjunkturelle mit regulatorischen Maßnahmen, um das Land substantiell voranzubringen.
Um nicht einfach in den Vorkrisenmodus zu verfallen, müssen konjunkturelle Maßnahmen mit einer Transformationsagenda verknüpft werden.
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Um allen Unternehmen im Land zu helfen, brauchen wir statt einer Abwrack- eine Modernisierungsprämie: Mit dem Digitalgutschein werden gezielt Anreize insbesondere für Unternehmen geschaffen, entweder neue Technologien gezielt in der Praxis auszurollen oder alte, analoge Prozesse zu ersetzen. Die Digitalisierung von Prozessen und Arbeitsorganisation, die digitale Transformation von Lieferketten und Geschäftsmodellen sowie Investitionen in entsprechende Software und IT-Infrastruktur werden durch eine staatliche Zulage gefördert. Auch Weiterbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter sollten in die Förderung fallen. Gerade Selbständige und KMU würden von einer solchen Prämie profitieren.
Ebenso sollten Maßnahmen förderfähig sein, durch die auf nachhaltigere Prozesse umgestellt wird, etwa indem unnötige Transportwege vermieden werden. Die digitale Modernisierung schafft dabei die Grundlage, um nachhaltiger wirtschaften zu können. Um der Digitalisierung der Unternehmen einen echten Schub zu geben, sollte der Digitalgutschein in einer Höhe von bis zu 10.000 Euro ausgestellt werden, abhängig von der Größe der Unternehmen. Dafür sollte lediglich eine simple Online-Anmeldung mit einer kurzen, einfachen Projektbeschreibung ohne viel bürokratischen Aufwand nötig sein – wie in einigen Ländern bereits bei der Gewährung der Soforthilfen praktiziert. Es ist elementar, dass das Geld schnell und unkompliziert fließt.
Um einen Effekt in der Breite der Wirtschaft erzeugen zu können, müssten dafür im ersten Schritt 5 Mrd. Euro mobilisiert werden, die bei Bedarf aufgestockt werden können.
In der Krise haben Homeoffice und mobiles Arbeiten vielen Organisationen sehr geholfen. Damit die Arbeitsbedingungen im Homeoffice wirklich zum Bedarf passen, sollten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für das Jahr 2020 einen einmaligen Steuerbonus für die Anschaffung von ITK-Infrastruktur erhalten. Dafür sollte ein Abschlag von der Einkommensteuerschuld gewährt werden – unabhängig davon, ob ein häusliches Arbeitszimmer vorhanden ist oder nicht, wie viele Menschen davon Gebrauch machen und inwieweit andere Steuervorteile gegenzurechnen wären. Die Höhe des Abschlags sollte den Kosten entsprechen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Laufe des Jahres für die ITInfrastruktur in ihrer Wohnung aufwenden. Um ihn unbürokratisch zu regeln, sollten als Nachweis für die entstandenen Kosten ein simpler Zahlungsnachweis oder die Rechnung www.bitkom.org Stellungnahme Digitalpakt Deutschland Seite 3|11 ausreichen. Die Tätigkeit im Homeoffice kann der Arbeitgeber formlos bescheinigen. Für den Homeoffice-Bonus wäre mit kurzfristigen Mindereinnahmen von ca. 5,7 Mrd. Euro zu rechnen.
Zudem sollte der Trend zum Homeoffice auch langfristig flankiert werden: mit einer Vereinfachung des Werbungskostenabzugs für die Homeoffice-Infrastruktur ab 2021. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mindestens einen Tag pro Woche im Homeoffice arbeiten, sollten die Ausgaben für die ITK-Ausstattung eines häuslichen Arbeitsplatzes bis zu 1.250 Euro pro Jahr pauschal als Werbungskosten geltend machen können. Zudem tragen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die regelmäßig von zu Hause aus arbeiten, zur Entlastung des Pendelverkehrs bei und schonen so die Umwelt. Für Homeoffice-Tage und mobiles Arbeiten sollten sie daher 50 Prozent der Pendlerpauschale geltend machen können.
Mit dem Homeoffice-Bonus in 2020 sowie dem Werbekostenabzug ab 2021 profitieren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Digitalpakt Deutschland. Gleichzeitig wird die Digitalisierung der Privathaushalte vorangebracht und die Binnennachfrage gestärkt
Die Krise hat auch gezeigt: Unternehmen brauchen ebenso wie die Bürgerinnen und Bürger eine digitale Verwaltung. Zum Digitalpakt Deutschland gehört deshalb auch eine Konzertierte Aktion Verwaltungsmodernisierung, die Bund und Länder gleichermaßen betrifft. Denn: Was die technische Ausstattung und die Digitalisierung von Prozessen betrifft, war die öffentliche Verwaltung in der Breite nicht ausreichend auf den Krisenmodus vorbereitet. Durch fehlende, veraltete oder ungenügende IT-Ausstattung waren zu viele Behörden nur eingeschränkt und teilweise gar nicht arbeitsfähig. Baugenehmigungen konnten teilweise nicht mehr erteilt werden, in manchen Behörden wurden Anträge bis zu einem bestimmten Stichtag einfach gelöscht und die Soforthilfen konnten in vielen Ländern nur mit Medienbrüchen – also eben nicht »echt digital« – beantragt werden.
Ziel der Konzertierten Aktion zur Verwaltungsmodernisierung ist deshalb, dass alle staatlichen Leistungen künftig schnell digital beantragt werden können – ohne jeglichen Medienbruch. Dafür müssen sich Bund und Länder auf die flächendeckende Abschaffung aller Schriftformerfordernisse sowie auf eine Erweiterung des Onlinezugangsgesetz dahingehend verständigen, dass alle verwaltungsinternen und verwaltungsübergreifenden Vorgänge im Grundsatz digital bearbeitet werden. Die mit den Schriftformerfordernissen verbundenen Verwaltungsprozesse müssen zügig digitalisiert und entsprechende alternative Identifikationsverfahren – wie die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises oder die Videoidentifikation – flächendeckend eingeführt werden. Zudem müssen sichere digitale Kommunikations- und Signaturverfahren etabliert werden.
Dabei sollten der Bund und alle Länder abgestimmt und gleichzeitig handeln. Ergänzend sollte ein Förderprogramm für Kommunen und kommunale Unternehmen auch die Verwaltungsebene vor Ort in den Blick nehmen. Um auf allen Ebenen zügig in die Umsetzung zu kommen, sollten Bund und Länder für die Konzertierte Aktion Verwaltungsmodernisierung kurzfristig gemeinsam 1,5 Mrd. Euro mobilisieren. Damit würden die zur Umsetzung des OZG bereitgestellten 1,5 Mrd. Euro auf 3 Mrd. Euro verdoppelt werden.
Bildung muss elementarer Bestandteil des Digitalpakts Deutschland sein. Um die von Bund und Ländern im Rahmen des DigitalPakt Schule getroffenen Maßnahmen zu ergänzen, brauchen wir eine Offensive für Schultransformation – als ersten Schritt hin zu einer Verstetigung der Förderung digitaler Bildung.
Pro Schülerin und Schüler sollten kurzfristig zusätzliche 100 Euro für digitale Lehrinhalte, Lizenzen und Plattformen bereitgestellt werden. Zudem braucht es zur vernünftigen technischen Betreuung und Unterstützung der Lehrkräfte ausgebildete IT-Fachkräfte in den Schulen. Für eine solche Offensive, die in eine Langfristfinanzierung übergehen muss, sollten im ersten Schritt 2 Mrd. Euro bereitgestellt werden.
Das fortgesetzte Homeschooling zeigt zudem deutlich: Schülerinnen und Schüler brauchen eine digitale Grundausstattung zu Hause, um am Unterricht teilzunehmen. Dazu hat der Koalitionsausschuss Mitte April schon Maßnahmen beschlossen, darunter ein Zuschuss zur Anschaffung von Geräten für das Homeschooling von 150 Euro für bedürftige Schülerinnen und Schüler. Das ist ein guter erster Schritt hin zu einem »digitalen Kindergeld« – der Betrag muss aber wenigstens auf 300 Euro für jedes bedürftige Schulkind verdoppelt werden. Damit würden zusätzlich in etwa 300 Mio. Euro nötig. Eine solche Unterstützung sollte zudem wiederkehrend erfolgen.
Zentrale Voraussetzung für die Nutzung digitaler Angebote ist eine leistungsfähige digitale Infrastruktur – in der Telekommunikation, aber auch im Verkehr. Ein Konjunkturpaket muss daher Investitionen für einen Infrastruktur-Boost mobilisieren und die Rahmenbedingungen verbessern.
Gerade bei den Telekommunikationsnetzen hat die Krise gezeigt, dass Deutschland generell gut aufgestellt ist. Die Anstrengungen für den Netzausbau müssen jetzt – auch als konjunkturelle Maßnahme – konsequent fortgesetzt werden. So gilt es vor allem den Glasfaserausbau (FTTH) entschlossen voranzutreiben und hierfür auch zusätzlich Mittel aus der jetzigen Krisenbewältigung bereitzustellen. Zudem müssen zügig die Bedingungen geschaffen werden, damit diese auch schnell fließen können. Um den Ausbau zu beschleunigen und weiter zu verbessern, sind Erleichterungen der wichtigste Hebel:
Sie sorgen dafür, schnell private Investitionen zu mobilisieren. Hierzu braucht es schnellstens Vereinfachungen bei Genehmigungsverfahren, Offenheit für innovative Verlegemethoden und die Bereitstellung öffentlicher Liegenschaften für den Mobilfunkausbau. Um diese Maßnahmen sinnvoll zu ergänzen, sollten im Rahmen des Digitalpakts Deutschland Haushalte, die weder aktuell noch absehbar über Mobilfunk oder Festnetzanschlüsse mit hinreichenden Bandbreiten verfügen können, gezielt auch mit komplementären Technologien wie Breitbandinternet via Satellit versorgt werden. Auch hierfür gilt es wettbewerbsneutrale Unterstützungsmaßnahmen in Betracht zu ziehen, beispielsweise durch eine Förderung der einmaligen Anschaffungskosten.
Rechenzentren sind ein wichtiger Faktor für die digitale Transformation in Deutschland. Für sie gilt es Standortnachteile zu beseitigen: Rechenzentren sollten von der ÖkostromUmlage im Erneuerbare-Energien-Gesetz befreit werden und die Möglichkeit erhalten, Abwärme bevorzugt in die Fernwärmenetze einzuspeisen. Zudem könnten sog. Power Purchase Agreements für Investoren attraktiver gemacht werden.
Ein Digitalpakt Deutschland, der seinem Namen gerecht wird, muss zudem die vernetzte Infrastruktur in Städten und Regionen voranbringen. Konjunkturelle Maßnahmen im Verkehrssektor sollten nicht allein neue Autos fördern, sondern auch einen gezielten Impuls für smarte Mobilitätsökosysteme setzen. Ein »Sofortprogramm Smart Mobility«, das Technologien wie intelligente Ampeln oder vernetzte Verkehrszeichen aus den Testfeldern in die Städte und Gemeinden holt, würde dabei helfen. Um hier einen echten Effekt zu erzielen, sollte der Bund für die Kommunen 500 Mio. Euro bereitstellen. Insgesamt können damit die digitale Wettbewerbsfähigkeit im Infrastrukturbereich gestärkt und privatwirtschaftliche Investitionen angeregt werden.
Ein so ausgestalteter Digitalpakt Deutschland – bestehend aus Digitalgutschein, Homeoffice-Bonus, Konzertierter Aktion Verwaltungsmodernisierung, Offensive für Schultransformation und dem Infrastruktur-Boost – würde kurzfristig etwa 15 Mrd. Euro kosten. Er wäre eine Investition des Staates in die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes, und zwar in doppelter Hinsicht: Innovative Lösungen zur Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Resilienz werden in die Fläche gebracht; gleichzeitig werden Unternehmen, die innovative und sichere Lösungen bieten, gestärkt.