Berlin, 17. Mai 2017 - Urheberrechtlich geschützte Werke wie Texte, Bilder, Musik und Filme sollen künftig unter anderem in Bildungseinrichtungen leichter genutzt werden dürfen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung will der Bundestag morgen in erster Lesung beraten. „Bildung ist der Schlüssel zur digitalen Transformation. Innovative Lösungen rund um die Mobilität der Zukunft, eine individualisierte Medizin oder datengetriebene Geschäftsmodelle können wir nur mit herausragend gut ausgebildeten Spezialisten entwickeln“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Wir müssen in der Bildung den Zugang zu hochwertigen Inhalten einfacher gestalten.“ Zum Hintergrund: Schon heute dürfen Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen einen bestimmten, je nach Anwendungsfall unterschiedlichen Prozentsatz von Werken erlaubnisfrei nutzen, also etwa kopieren – dafür wird aber eine Abgabe fällig. Für eine Nutzung, die darüber hinausgeht, werden mit den Verlagen und Produzenten von Inhalten Lizenzen vereinbart und bezahlt. Der Gesetzentwurf sieht vor, jenen Anteil eines Werks, der frei genutzt werden darf, zu erhöhen und mehr digitale Nutzungen zuzulassen.
Bitkom warnt allerdings davor, dass das wichtige bildungspolitische Ziel – den Zugang zu hochwertigen, auch urheberrechtlich geschützten Inhalten einfacher zu gestalten – durch handwerkliche Fehler im Gesetz verfehlt werden könnte. So sieht der Entwurf vor, dass für das ausgeweitete Recht des Kopierens Abgaben von Geräteherstellern und Importeuren entrichtet werden. Diese müssen bereits heute etwa für Privatkopien im Haushalt Gebühren für Geräte wie Smartphones, Tablets, PCs, Drucker sowie Speichermedien zahlen. Einem aktuellen verfassungsrechtlichen Gutachten zufolge wären diese neuen Zahlungspflichten rechtswidrig und würden später von Gerichten aufgehoben werden. Nach Einschätzung des Gutachters würde der Deutsche Bundestag gegen Vorgaben des europäischen Unionsrechts verstoßen, wenn er die vorgeschlagenen Regelungen als Gesetz beschlösse. Nach diesen Vorgaben muss vorrangig stets derjenige zahlen, der erlaubnisfrei nutzen darf. Dies sind in diesem Fall die Einrichtungen des Bildungs- und Wissenschaftsbereichs wie Bibliotheken und Universitäten. Eine Geräteabgabe, wie sie im Gesetz vorgesehen ist, wäre nur dann zulässig, wenn der Nutznießer der Kopie unbekannt ist und daher anders nicht an der Finanzierung beteiligt werden kann. Ansonsten wäre sie nicht nur europarechtswidrig, sondern würde auch gegen das Grundgesetz verstoßen.
„Etwaige zusätzliche Belastungen für die Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen könnten über alternative staatliche Finanzierungsmöglichkeiten wie etwa Fonds abgefangen werden, die die Urheber entschädigen“ so Rohleder. Eine steuerfinanzierte Lösung wäre aus Sicht des Bitkom nicht nur einfacher und rechtsicherer. Sie würde zudem die bestehenden Verträge zu Privatkopie-Abgaben unberührt lassen. Auf Basis dieser Verträge nehmen Verwertungsgesellschaften wie etwa GEMA oder VG WORT gut 300 Millionen Euro pro Jahr ein und schütten diese dann an die Urheber wie Autoren, Journalisten und Musiker aus. Würde das Gesetz zur Schaffung einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke ohne die dringend notwendigen Änderungen in Kraft treten, bestünde die Gefahr, dass die Verwertungsgesellschaften sämtliche Verträge kündigen und die Zahlungen damit möglicherweise über Jahre zum Erliegen kommen.
Zudem sollte der Entwurf den Verlagen und Produzenten weiterhin ermöglichen, das Potenzial der digitalen Technologien für innovative Geschäftsmodelle zu nutzen. Dazu wäre ein im Gesetz klar formulierter Vorrang von Lizenz-Modellen notwendig. „Gerade digitale Technologien bieten hervorragende Möglichkeiten, einfache, bezahlbare und für die Urheber und Anbieter von Werken gerechte Lizenzmodelle zu implementieren“ so Rohleder. „Hochwertige Inhalte müssen auch künftig in Bildung und Wissenschaft ankommen.“
Das verfassungsrechtliche Gutachten zum Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG) findet sich hier: