Digitalisierung ist weder Last noch Randphänomen, sondern Rückgrat der künftigen staatlichen Sicherheitsvorsorge. Die Schaffung eines hohen Maßes an Krisenresilienz ist eine Mammutaufgabe – im Cyberraum wie in der analogen Welt. Neben einer Vielzahl guter Vorhaben im Koalitionsvertrag braucht es vor allem Durchhaltevermögen. Letzteres gilt es nun zu demonstrieren. Die mit dem Koalitionsvertrag festgelegte Ausrichtung der neuen Bundesregierung enthält viele begrüßenswerte Vorhaben, dazu zählen:
Beschleunigung des Modernisierungs- und Digitalisierungsprozesses von Polizei und Bundeswehr
bestmögliche personelle, materielle sowie finanziell verlässliche Ausstattung
starker Fokus auf Aus- und Weiterbildung und eine diversitätsorientierte Stellenbesetzungsoffensive
Überwindung von Silodenken durch die Schaffung von ressort- und behördenübergreifend agilen Projektteams
Modernisierung des Beschaffungswesens, mit besonderem Fokus auf Digitalisierung und Interoperabilität
Gesamtbetrachtung der Sicherheitsarchitektur in Deutschland
verstärkte Verantwortungsübernahme im Bereich Bevölkerungsschutz
Bei der Umsetzung in den kommenden Jahren bedarf es nun aber vor allem der klaren Definition von Zielen, Zuständigkeiten und Befugnissen sowie der besseren Koordination der Arbeit von Sicherheitsbehörden und Bundeswehr. Übergeordneter Leitgedanke sollte es sein, die Dimensionen Beschaffung, Innovation, Funktionalität und Sicherheit in ein Gleichgewicht zu bringen. Hierbei soll der Föderalismus oder die Trennung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden nicht konterkariert werden. Wichtig ist nur, aufgrund von Zuständigkeiten keine Barrieren zu schaffen oder aufrecht zu erhalten, sondern technisch eine gemeinsame Grundlage für die Arbeit zu schaffen und die Zuständigkeiten dann »auf der Plattform« abzubilden. Neben der Schaffung idealer Rahmenbedingungen für innovative Startups ist die enge Kooperation und der damit verbundene Wissenstransfer mit der Digitalwirtschaft ein zentraler Erfolgsfaktor.
Innovations- und Veränderungsfähigkeit deutlich steigern und Fehlerkultur zulassen
Die Veränderungsgeschwindigkeit des digitalen, gesellschaftlichen und geostrategischen Umfelds der inneren und äußeren Sicherheit beschleunigt sich weiterhin. Globale Innovationszyklen im zivilen Umfeld verlaufen in enormer Geschwindigkeit. IT-Entwicklung hat einen Rhythmus von 1-2 Jahren, die Beschaffung denkt in 3-5 Jahreszyklen, die Nutzung erfolgt dagegen über einen Zeitraum von 10-20 Jahren. Dies zu synchronisieren kann nur durch disruptive Transformation gelingen. Vor allem die Bundeswehr braucht in ihrem Beschaffungsprozess neue Methoden, die durch kurze Abläufe und kontinuierliche Vertestung zu schnellen Ergebnissen führen und dabei Schwachstellen und nötige Kurskorrekturen frühzeitig aufzeigen.
Ein höherer Digitalisierungsgrad und die dafür notwendige IT-Ausrüstung sind kein Selbstzweck. Es braucht ein klares Verständnis davon, welche Vorteile in militärischen Kernprozessen – Aufklärung, Führung, Wirkung – durch die Digitalisierung erzielt werden können. Dieses Verständnis muss befördert und dann proaktiv gelebt werden.
Die Herausforderungen im Bereich gesamtstaatliche Sicherheitsvorsorge und Krisenresilienz sind zu groß, als dass sie lediglich politisches Beiwerk sein könnten. Es braucht zwingend den notwendigen finanzpolitischen Spielraum.
Digitale Kompetenzen und Vernetzung auf allen Ebenen aufbauen
In der heutigen Zeit ist Digitalkompetenz eine Kernkompetenz. Es muss daher gezielt in die Weiterbildung und die Qualifikation der Mitarbeitenden der Sicherheitsorganisationen investiert und die Voraussetzung für lebenslanges Lernen geschaffen werden. Nur wenn der Durchdringungsgrad digitaler Kompetenzen erhöht wird, können digitalmündige Entscheidungen im Umfeld von Krisenresilienz und Digitaler Souveränität getroffen werden. Dabei muss der Föderalismus als integraler Bestandteil der Sicherheitsarchitektur berücksichtigt werden und der Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Akteuren auf Ebene von Bund und Ländern verbessert werden. Gleiches gilt für die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren europäischen und internationalen Partnern und Verbündeten. Digitale Lösungen sowie sichere Kommunikationstechnik sind dafür von fundamentaler Bedeutung.
Zuständigkeitsverteilung im Digitalen neu überprüfen
Zum Schutz sowie der Verteidigung des Cyber- und Informationsraums ist eine Vielzahl staatlicher Organisationen mit Zuständigkeiten ausgestattet. Deren Aufgaben und Befugnisse müssen klar benannt und voneinander abgegrenzt werden sowie redundante Strukturen abgebaut werden. Für die Wirtschaft ist es wichtig, Institutionen als Partner zu haben, die auch tatsächlich Verantwortung für ihre Belange tragen. Dabei ist und bleibt gerade die Bundeswehr ein zentraler Akteur und wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Die Bundeswehr und ihre Dienstleister digital zu stärken, muss Aufgabe dieser Legislaturperiode sein.
Ausstattung verbessern, ganzheitliche Beschaffungsorganisation aufbauen und rechtliches Rahmenkorsett setzen
Auf die Herausforderungen im analogen und digitalen Raum können weder kostspielige Eigenproduktionen noch informationstechnische Insellösungen die Antwort sein. Gerade im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung müssen sich Beschaffungsstrategien auf der Höhe der Zeit und im Einklang mit den digitalen Innovationszyklen bewegen. Dabei sind neue Technologien sowie deren Einsatz vorurteilsfrei zu evaluieren und ein eindeutiger Rechts- und Ethikrahmen für die jeweils handelnden Akteure festzulegen. Ein weiterer Kernbestandteil künftiger Beschaffungsstrategien muss der Fokus auf internationale Standards, kompatible Datenstrukturen sowie interoperable Anwendungen und Schnittstellen sein. Deren Nutzung ist nicht nur unter Gesichtspunkten effizienter Mittelverwendung von Vorteil, sondern stellt gleichzeitig ein wichtiges Fundament dar, um die parallel aufgebaute und gelebte Innovationskultur als Hebel zur Gewährleistung Digitaler Souveränität und Schaffung von Krisenresilienz zu nutzen. Hierzu gehört eine konsequente Umsetzung der Strategie der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.