Deutschlands Bildungswesen muss agiler und flexibler werden. Das hat die Corona-Pandemie klar gezeigt. Um das zu erreichen, brauchen Menschen Zugang zu digitalen Lernangeboten, die ihrem individuellen Lernstand entsprechen und sie auf eine aktive, selbstbestimmte Teilhabe an unserer digitalen Gesellschaft vorbereiten – das gilt für alle Altersgruppen. In einer immer komplexer werdenden Welt müssen digitale Kompetenzen schon früh gestärkt werden. Wir begrüßen, dass digitale Bildung im Koalitionsvertrag entlang der gesamten lebenslangen Bildungskette gedacht und neue ambitionierte Maßnahmen angekündigt wurden. Die Stärkung eines Kooperationsgebots durch die neue Bundesregierung sollte sich durch eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in künftigen bildungspolitischen Maßnahmen widerspiegeln. Auch darf im Rahmen des angekündigten Bildungsgipfels die Perspektive der Digitalwirtschaft nicht fehlen.
Für die neue Legislaturperiode muss klar sein: Gut ausgebildete und qualifizierte Menschen sind Deutschlands wichtigste Ressource. Die Hebel in der digitalen Bildung sind enorm. Mit leicht umsetzbaren Maßnahmen lassen sich spürbare Erfolge erzielen. Ziel muss es sein, dass alle Menschen – egal ob im (hoch)schulischen, beruflichen oder privaten Kontext – fortlaufend und niedrigschwellig auf passende Bildungsangebote zugreifen und diese flexibel in den Alltag integrieren können. Dafür braucht es verschiedene Maßnahmen, von einem Recht auf digitale Bildung bis zum Weiterbildungsmonitor.
Schülerinnen und Schüler haben Anspruch auf schulische Bildung und damit im Fall von z.B. Quarantänemaßnahmen auf kompensatorischen Distanzunterricht. Deutschland braucht ein Recht auf digitale Bildung, das sicherstellt, dass staatlich (co-)finanzierte Bildungsangebote bei Bedarf immer auch ohne größere Abstriche auf digitalem Weg wahrgenommen werden können. Ein solches Recht wäre ohne Verfassungsänderungen auf Basis einfacher Bundes- und Landesgesetze möglich. Zur effektiven Umsetzung bedarf es bundesweit einheitlicher technischer Qualitätsstandards, die über einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern geregelt werden. Darüber hinaus müssen Bund und Länder Bildungseinrichtungen mit den erforderlichen finanziellen Mitteln ausstatten.
Der im Koalitionsvertrag angekündigte Digitalpakt 2.0 muss ein langfristiges und auskömmliches Finanzierungskonzept darstellen und schnell umgesetzt werden. Wichtig ist, dass neben Finanzmitteln für nachhaltige und qualitativ hochwertige IT-Infrastruktur und mobile Endgeräte auch digitale Bildungsmedien, Lehr- und Lernmaterialien, (Online-)Lehrkräftefortbildungen und IT-Administration sowie -Support berücksichtigt werden. Bei der Förderung von Lerninhalten sollte auf Interoperabilität für unterschiedliche Lernplattformen gesetzt werden. Für einen schnelleren Mittelabfluss müssen bundesweit einheitliche Mindeststandards für Ausstattung, Datenschutz und Interoperabilität von Lerninhalten formuliert und entbürokratisierte Standardverfahren ermöglicht werden. Ein nach Mittelverwendung differenzierendes Online-Dashboard sollte für mehr Transparenz zum Stand der Digitalpaktumsetzung sorgen und aufzeigen, wo mehr Unterstützung durch den Bund notwendig ist. Langfristig muss gute Digitale Bildung zentraler Bestandteil der Bildungsetats auf Bundes- und Landesebene werden, damit der Bildungsstandort Deutschland dauerhaft gesichert wird.
Wir begrüßen das Vorhaben der neuen Bundesregierung, Service-, Beratungs- und Vernetzungsangebote für Schulen zu schaffen. Ein zentrales, transparentes Informationsangebot, Gutscheine für eine professionelle Digitalisierungsberatung sowie zuverlässige, datenschutzrechtliche Vorgaben und entsprechende Schulungen für die Nutzung digitaler Angebote sollten Schulen künftig besser unterstützen. Zentral sind hierbei auch Qualifizierungsangebote für Lehrkräfte sowie die Vermittlung digitaler Kompetenzen in Aus- und Weiterbildung. Zudem brauchen Positivbeispiele mehr Sichtbarkeit, weshalb z.B. 100 digitale Vorreiterschulen ausgezeichnet werden sollten. Erfolgreiche integrative Ansätze können Hilfestellung und Inspiration für den digitalen Transformationsprozess jeder einzelnen Schule bieten. Auch müssen die Erfahrungen derjenigen Schulen, die von dem geplanten Startchancen-Programm profitieren, direkt evaluiert werden.
Um in der Digitalwirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen informatische Grund- sowie digitale Zukunftskompetenzen früh vermittelt und die Potenziale aller Geschlechter gleichermaßen genutzt werden. Deutschland braucht ab Sekundarstufe I einen bundesweit verpflichtenden Informatikunterricht, der vorrangig Programmierkenntnisse, aber auch gesellschaftlich-kulturelle und anwendungsorientierte Diskussionen zu digitalen Technologien fördert. Die Vielfalt digitalisierungsbezogener Berufsfelder muss in der schulischen Berufsorientierung breit beworben, Kinder und Jugendliche, insbesondere Mädchen, für digitale Technologien begeistert, erfolgreiche Vorbilder aus der Digitalwirtschaft sichtbar gemacht und die Abbruchquote im Informatikstudium gesenkt werden. Neben der klassischen Informatikausbildung muss langfristig ein Umdenken stattfinden, damit neue Gestaltungskompetenzen für die Digitalisierung in Studiengängen und Ausbildungen vertieft werden. Als Konzept kann die Idee der Digitalen Bauhäuser dienen.
Mit Blick auf die digitale Transformation der Arbeitswelt muss der Mehrwert von berufs- und lebensphasenbegleitenden Weiterbildungsprogrammen stärker kommuniziert und entsprechende Angebote gefördert werden. Neben den im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen sollten bestehende Instrumente, wie etwa im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes, weiterentwickelt und optimiert werden. Das Fernunterrichtsschutzgesetz muss evaluiert und auf seine Zeitgemäßheit überprüft werden. Für einen niedrigschwelligen Zugang zu bedarfsgerechten Weiterbildungsmaßnahmen und Förderangeboten braucht es einen Online-Weiterbildungsmonitor, der eng mit der Nationalen Bildungsplattform sowie den Maßnahmen der Nationalen Weiterbildungsstrategie verzahnt werden sollte. Um kurzfristig dem Mangel an IT-Fachkräften entgegenzuwirken, benötigen wir eine Förderung von praxisnahen Coding-School- und Bootcamp-Kursen und die Bereitstellung von Geldern für die Finanzierung der Kurse für Quereinsteiger. Auch sollten KMUs finanzielle Zuwendungen erhalten, um vor allem die Erst-Investition in digitale Bildung tragen zu können.