2023 fehlten branchenübergreifend 149.000 IT-Fachkräfte in Deutschland. Inländische Potenziale wie Quereinstieg und Weiterbildung können die rasant wachsende IT-Fachkräftelücke verringern, doch es braucht dringend qualifizierte Zuwanderung.
Trotz der Neuordnung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) zur Senkung von Zuwanderungshürden hinkt die Umsetzung stark hinterher. Ein langwieriger und komplizierter Einwanderungsprozess hemmt die Attraktivität deutscher Unternehmen für ausländische Fachkräfte. Der Einwanderungsprozess muss neu gedacht, prozessübergreifend digitalisiert und automatisiert, Unternehmen miteinbezogen und ankommende Fachkräfte schneller integriert werden.
Deutschland muss sich selbst als Einwanderungsland verstehen, um Fachkräfte aus dem Ausland dafür zu begeistern, ihren Lebensmittelpunkt zu verlagern. Dazu gehört auch eine offene Willkommenskultur. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen gemeinsam an einem Strang ziehen, um dieses Ziel langfristig zu erreichen. Dies erfordert ein Umdenken in prozessualer, aber auch in gesellschaftlicher Hinsicht. Die kulturelle Vielfalt muss in jedem Bereich gelebt werden.
Die digitale Transformation der Verwaltungsverfahren im In- und Ausland muss in der kommenden Legislaturperiode priorisiert werden. Das Auslandsportal des Auswärtigen Amtes sollte als Vorbild für die Verfahrensbeschleunigung im Einwanderungsprozess gelten und weiter ausgestaltet werden. Zudem muss die Digitalisierung hochstandardisierter Verfahren, wie der Terminvergabe, zielgerichtet erfolgen. Gleiches gilt für die Vereinheitlichung der Prozesse selbst. Formalitäten, Abläufe und Anforderungen müssen behördenübergreifend identisch ablaufen, das ist heute noch nicht Realität. Die Verfahrensstände behördlicher Prozesse im In- und Ausland müssen für die betroffenen Personen unmittelbar auf den jeweiligen Webseiten in Echtzeit einsehbar sein.
Die Kommunikation zwischen den beteiligten Behörden und Institutionen wie den Visastellen, dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten, den Ausländerbehörden, der Bundesagentur für Arbeit und den Anerkennungsstellen muss ausschließlich digital erfolgen. BMAS, BMI und AA müssen gemeinsam darauf einwirken, dass medienbruchfreie Schnittstellen, die das Once-Only-Prinzip verfolgen, zwischen den beteiligten Stakeholdern zwingend implementiert werden. Ein Flickenteppich von analogen und unterschiedlichen digitalen Anwendungen verlangsamt die gesamte Verfahrenskette des Einwanderungsprozesses.
Die Vielzahl an Entscheidungsträgern in einem einzigen Einwanderungsverfahren führt per se zu einer Verlangsamung. Dazu kommen Unsicherheiten in der Zuständigkeit, die zu unnötigen Doppelprüfungen und Mehrfachaufforderungen von Unterlagen führen. Die Entscheidungskette muss zwingend entschlackt werden. Bspw. kann durch die aktive Einbeziehung des Arbeitgebers die Bundesagentur für Arbeit entlastet werden. Prüfschritte wie das Erfordernis von berufspraktischer Erfahrung im IT-Bereich sollten auf die Arbeitgeberseite verlagert werden, die dies ohnehin oftmals besser einschätzen kann.
Um einen nachhaltig einfachen Einwanderungsprozess zu etablieren, müssen Kompetenzen zentral gebündelt werden. Ein Positivbeispiel ist die Einrichtung von zentralen Ausländerbehörden in den Ländern. Neben der Betreuung der beschleunigten Fachkräfteverfahren sollten Zentrale Ausländerbehörden einheitliche Standards für die Behörden in der Fläche festlegen. Das BMI muss regelmäßige Austauschformate fördern, um eine länderübergreifende Gesamtlösung im Einwanderungsprozess zu etablieren. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung in der neuen Legislatur, anknüpfend an die laufende Machbarkeitsstudie, die Zentralisierung von Migrationsleistungen in einer Behörde (bspw. Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten) zur langfristigen Effizienzsteigerung forcieren. So können landes- und dringend benötigte bundesweite Standards definiert werden.
Wichtig ist, dass auch die Mitarbeitenden in den betroffenen Behörden stets „up to date“-bleiben. Dies gilt sowohl für die Einführung neuer Regularien als auch für die Implementierung digitaler Prozesse. Durch die Etablierung von Schulungs- und Weiterbildungskonzepten können die Voraussetzungen der neuen Regulatorik unmittelbar vermittelt und Digitalkompetenzen gestärkt werden.
Deutschland braucht einen Neustart. Wir müssen wieder ein Zukunftsland werden: mit einer klaren Vorstellung davon, wohin wir steuern; mit guten, innovativen Ideen; mit Lust aufs Neue. Damit das gelingt, müssen die Grundlagen stimmen: Wir brauchen Wachstum und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und wir müssen für Sicherheit und einen modernen Staat sorgen. Dort ist in den letzten Jahren zu viel liegengeblieben, es gibt also viel zu tun. Wir haben dafür konkrete Ideen: