Berlin, 09. Februar 2021 - Anlässlich des Safer Internet Day 2021 veranstalten das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und der Digitalverband Bitkom heute die Konferenz zum Thema „Digitale Plattformen und Gesellschaft“. Die Konferenz stellt unter anderem die Frage, wie die soziale Teilhabe am digitalen Fortschritt und die Debattenkultur im Netz gefördert werden kann. Bitkom hat zudem in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage die Verbrauchersicht auf digitale Plattformen, Desinformation und Hassrede im Internet untersucht.
„Soziale Netzwerke und öffentliche Messenger-Kanäle werden allzu oft missbraucht, um menschenverachtenden Hass und gefährliche Lügen zu verbreiten. Digitale Brandstifter müssen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden. Die Hetze im Netz belastet nicht nur unsere digitale Kommunikation, sondern schadet dem Fundament unserer Demokratie. Wir brauchen eine faire, zeitgemäße und durchsetzungsstarke europäische Plattformregulierung: Mit dem Digital Services Act hat die Europäische Kommission Regeln vorgelegt, die auch öffentliche Messenger-Dienste umfassen. An einigen Stellen müssen wir nachschärfen: Wir brauchen auch auf europäischer Ebene Regeln, wie wir sie bereits im NetzDG eingeführt haben: kurze Fristen für die Bearbeitung von Nutzerbeschwerden und demnächst auch Meldepflichten an Strafverfolgungsbehörden nicht nur bei schwerer Hasskriminalität, sondern auch dann, wenn Hass und Hetze den demokratischen Rechtsstaat gefährden. Nutzerinnen und Nutzer müssen auch gegen Entscheidungen von Plattformen vorgehen können, wenn eine Drohung oder Diffamierung nicht gelöscht wird. In die europäischen Verhandlungen zum Digital Services Act werden wir unsere Erfahrungen einbringen und für klare europäische Regeln eintreten.“
„Verbraucher können sich heutzutage gezielter und umfassender denn je informieren, wenn sie Entscheidungen treffen – das beginnt beim Einkaufen und reicht bis zum Wählen. Online-Plattformen leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Aber nicht alle Menschen profitieren in gleichem Maß von den Chancen der Digitalisierung. Unsere Gesellschaft ist weiterhin geteilt in Onliner und Offliner und auch innerhalb der Gruppe der Internetnutzer gibt es riesige Unterschiede. Der Zugang zum Internet sagt noch nichts darüber aus, wie kompetent jemand dessen Möglichkeiten nutzt. Das langfristige Ziel muss sein, dass sich alle Bürger sicher und souverän in der digitalen Welt bewegen können. Verbraucher müssen u.a. dazu befähigt werden, mit Informationen und Angeboten im Netz kritisch umgehen zu können. Hier sind besonders Schulen, Volkshochschulen oder Institutionen wie die Bundeszentrale für politische Bildung gefragt. Neben wichtigen und hilfreichen Informationen verbreiten sich leider auch zunehmend falsche, irreführende und illegale Inhalte über Online-Plattformen. Für mehr Verbrauchersicherheit im Internet müssen wir Phänomenen wie Hasskriminalität und Desinformationskampagnen noch besser begegnen. Dafür braucht es auch mehr Personal und mehr Digitalkompetenz bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden.“
Die Umfrageergebnisse zeigen u.a., dass seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie die Mehrheit der Verbraucher häufiger auf digitale Plattformen zurückgreift. Sechs von Zehn (59 Prozent) nutzen soziale Netzwerke wie Facebook, YouTube oder TikTok in der Pandemie intensiver. Jeder Zweite (51 Prozent) ruft häufiger Handelsplattformen wie Amazon oder Ebay auf und Videodienste wie Netflix oder Joyn sind bei jedem Dritten (33 Prozent) beliebter als vor der Pandemie.
Für Informationen zum aktuellen Tagesgeschehen liegt das lineare Fernsehen immer noch an der Spitze. Praktisch alle (97 Prozent) informieren sich über das TV, mit Abstand folgen persönliche Gespräche mit Freunden, Bekannten oder Kollegen (83 Prozent). Drei von vier Verbrauchern (75 Prozent) hören Radio, um auf dem Laufenden zu bleiben. Ähnlich viele (71 Prozent) nutzen das Internet als Informationsquelle, also Webseiten, Apps und soziale Netzwerke. Auf gedruckte Tageszeitungen greifen fast zwei Drittel (64 Prozent) für aktuelle Nachrichten zurück.
Mit Blick auf politische Themen steht für die Mehrheit der Social-Media-Nutzer fest, dass soziale Netzwerke zunehmend in Konkurrenz zu klassischen Medien treten. Sieben von zehn (71 Prozent) geben dies an. 58 Prozent sagen, dass ihnen soziale Netzwerke einen besseren Zugang zur Politik ermöglichen. Mehr als die Hälfte der Nutzer (52 Prozent) stimmt zu, dass durch soziale Netzwerke mehr Menschen an politischen Debatten teilnehmen. Ein gutes Drittel (37 Prozent) meint hingegen, dass soziale Netzwerke politische Debatten zerstören.
Über alle Medien hinweg nehmen Verbraucher so genannte Fake News wahr, also offensichtlich falsche Nachrichten oder Berichte. Neun von zehn Social-Media-Nutzern (92 Prozent) sind in den vergangene zwölf Monaten Fake News in sozialen Netzwerken aufgefallen, dabei war jeder Dritte (33 Prozent) häufig mit Fake News konfrontiert. In klassischen Medien wurden Falschnachrichten etwas seltener beobachtet (79 Prozent aller Verbraucher insgesamt, 21 Prozent häufig). Über Messenger wie WhatsApp oder Telegram hat jeder zweite Messenger-Nutzer (53 Prozent) im Vorjahr Fake News erhalten.
Befragt nach der Diskussionskultur im Internet geben zwei von drei Social-Media-Nutzern (65 Prozent) an, mehr oder weniger zufällig Augenzeuge von Hassrede gewesen zu sein. Damit sind Äußerungen gemeint, die beleidigend, rufschädigend, rassistisch oder volksverhetzend sind oder zu Gewalt aufrufen. Jeder sechste Nutzer (16 Prozent) war demnach schon Opfer von solchen Hasskommentaren. Häufigste Reaktion der Leser oder Opfer von Hassrede war es, solche Beiträge den Betreibern der jeweiligen Plattform zu melden, zwei von fünf (43 Prozent) hatten dies gemacht. Ein gutes Drittel (36 Prozent) der Zeugen oder Opfer hat hingegen gar nicht auf Hassrede reagiert.
Interessierte können die gemeinsame Konferenz von BMJV und Bitkom zum Safer Internet Day 2021 per Livestream verfolgen: https://www.bitkom.org/Themen/Livestream-zum-Safer-Internet-Day-2021
Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 1.003 Personen ab 16 Jahren telefonisch befragt, darunter 727 Nutzer von sozialen Netzwerken. Die Umfrage ist repräsentativ.