Die heutige Medien- und Kommunikationsordnung setzt auf dem Zustand getrennter Distributionswege für unterschiedliche Kommunikationsarten auf – Fernindividualkommunikation über Telefonnetze, Rundfunk über Terrestrik und breitbandige Netze und Presse über die Distribution körperlicher Träger. Der Plattformregulierung ursprünglich zugrunde liegende Knappheitssituation bei den Verbreitungswegen ist heute faktisch überholt. Insbesondere die Technologie hat die Rahmenbedingungen erheblich verändert und zu einer zunehmenden Aufhebung der Grenzen geführt. NGN-Netze können heute nicht mehr nur diejenigen Daten übertragen, für die sie ursprünglich gebaut wurden, sondern alle Daten, die digitalisierbar sind. So sind eine TV-Übertragung übers Telefonnetz und Telefongespräche über das Fernsehkabelnetz möglich. Zudem wird auch das offene Internet selbst wie ein Transportmedium genutzt, was dazu führt, dass typische Kommunikationsdienste heute auch von Anbietern bereitgestellt werden können, die keine klassischen Netzbetreiber sind. In der Medienlandschaft manifestiert sich die Konvergenz insbesondere in dem Zusammentreffen der Angebote auf verschiedenen von Netztechnologien und Übertragungstechniken sowie in dem zunehmenden Verschmelzen der Anwendungen und der Endgeräte. Entsprechend ändert sich auch das Nutzerverhalten: Neben einem stetig wachsendem TV-Konsum wird gleichzeitig das Internet verstärkt genutzt, wobei eine zunehmende Nachfrage nach einem individualisierten, interaktiven und sozialen Mediennutzungserlebnis zu erkennen ist.
Die Reformbedürftigkeit der Medien- und Kommunikationsordnung ergibt sich daraus, dass sie noch auf einer divergenten Medienwelt aufsetzt und die oben geschilderten Technologie- und Marktentwicklungen nicht ausreichend berücksichtigt. Sie bildet die konvergente Medienrealität und sich wandelnde Kräfteverhältnisse nicht mehr ab. Sie wird außerdem durch verschiedene Rechtsgebiete erfasst, welche unterschiedliche Regulierungsziele verfolgen und dafür unterschiedliche Instrumente einsetzen. Schutzgüter geraten dadurch in Zielkonflikt und Regulierungsinstrumente werden weder hinreichend kohärent, noch adäquat angewandt. Der Rundfunk unterliegt in seiner Doppelfunktion als Wirtschafts- und Kulturgut anders als die anderen Bereiche nicht rein ökonomischen Mechanismen. Da das geltende Medienrecht auf den Schutz der Meinungsvielfalt fokussiert, trägt es den schutzwürdigen Interessen von Infrastruktur- oder Plattformanbieteranbietern nicht hinreichend Rechnung. Dabei sollten Investitionsleistungen dieser in Übertragungsnetze und Plattformen in einer konvergenten Medienordnung besser gewürdigt werden. Das Plattformregime sollte daher schrittweise dereguliert und auf Situationen beschränkt werden, in denen Gefährdungen der Angebots- und Anbietervielfalt überhaupt (noch) bestehen. Zudem sind Rechte und Pflichten von Plattform- und Inhalteanbietern in ein Gleichgewicht zu bringen: Must-carry-Regelungen sind in einer konvergenten Welt überholt, Eingriffe in die Rechte Dritter (insbesondere derer von Infrastruktur- und Plattformanbietern) bedürfen angemessener Kompensationsmechanismen.
Mit der vorliegenden Stellungnahme bezieht sich Bitkom auf die von der Bund-Länder Arbeitsgruppe Plattformregulierung und beantwortet Fragen zur zukünftigen Ausrichtung der Plattformregulierung.