Gastbeitrag von Dr. Jens Hackl (Morrison Foerster)
Wenn die öffentliche Hand Produkte oder Dienstleistungen beschafft, dann findet dies regelmäßig in einem strukturierten Vergabeverfahren statt. Ziel eines solchen Vergabeverfahrens ist es, einen verbindlichen Vertrag zwischen der öffentlichen Hand (Auftraggeber) und einem Unternehmen (Auftragnehmer) anzuschließen. Ein Vergabeverfahren unterliegt dabei formalisierten Regelungen. Zweck dieser Regelungen ist es, die Nachfragemacht der öffentlichen Hand zu regulieren, nationale Beschaffungsmärkte zu öffnen und „Vetternwirtschaft“ zu vermeiden.
Mit einem Auftragsvolumen von ca. EUR 103,9 Mrd. (im Jahr 2021 laut Statistischem Bundesamt) ist die öffentliche Hand ein sehr wichtiger Partner im geschäftlichen Verkehr. Auch die meisten Startups werden daher über „kurz oder lang“ mit der öffentlichen Hand als potenziellem Vertragspartner in Kontakt kommen. Es ist daher wichtig, die Grundzüge des Vergaberechts und insbesondere den Ablauf eines Vergabeverfahrens zu verstehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Startups erfolgreiche Bieter werden und nicht an den Formalien des Vergabeverfahrens scheitern.
Dr. Jens Hackl, Counsel bei Morrison & Foerster, erläutert im Folgenden kompakt und praxisnah, wie Startups erfolgreich an öffentlichen Aufträgen teilnehmen können und wie rechtliche Konflikte vermieden werden können.
Was sind die Herausforderungen für Startups?
Die zweite wesentliche Herausforderung betrifft die Vorgaben der öffentlichen Hand hinsichtlich des Leistungsumfangs, der Erfüllung bestimmter Kennzahlen (z. B. Umsatzzahlen) oder der geforderten Vorerfahrung. Diese können von Startups oftmals allein nicht erfüllt werden, weshalb bereits im Vorfeld die Teilnahme an der Ausschreibung nicht in Betracht gezogen wird oder ein Ausschluss aus dem Vergabeverfahren droht. Insoweit gibt es aber Lösungsmöglichkeiten, insbesondere durch Kooperationen mit anderen Unternehmen (siehe dazu nachfolgend).
Welche Vorgehensweise empfiehlt sich für Startups?
Hinsichtlich der Einhaltung der Formalien ist es für Startups empfehlenswert, direkt zu Beginn des Verfahrens alle notwendigen Fristen und die zu beachtenden Formalien aus den Vergabeunterlagen zu ermitteln. Idealerweise wird ein Mitarbeiter als zentraler Ansprechpartner eingesetzt, der die Einhaltung der Formalien überwacht und Fristen im Blick behält. Soweit irgendwelche Unklarheiten (hinsichtlich der Formalien oder anderer Dinge) bestehen, sollten unverzüglich Fragen an den Auftraggeber gestellt werden. Auch für derartige Rückfragen sind oftmals bestimmte Fristen zu beachten.
Bezüglich der Erfüllung der Vorgaben der öffentlichen Hand hinsichtlich des Leistungsumfangs, der Erfüllung bestimmter Kennzahlen (z. B. Umsatzzahlen) oder der geforderten Vorerfahrung ist es für Startups empfehlenswert, frühzeitig zu ermitteln, welche Kriterien zu erfüllen sind. Erst dann kann geprüft werden, ob der Auftrag allein oder nur in Kooperationen mit anderen Unternehmen realisiert werden kann. Wenn bestimmte Leistungskomponenten des Auftrags nicht durch das Start-up erfüllt werden können, dann ist es am einfachsten, wenn für diesen Leistungsteil ein Sub- bzw. Nachunternehmer gesucht wird. Dieser ist dann im Vergabeverfahren gegenüber dem Auftraggeber zu benennen. Regelmäßig muss der Sub- bzw. Nachunternehmer auch noch bestimmte Erklärungen abgegeben, insbesondere muss er sich dazu verpflichten, die Leistung auch tatsächlich zu erbringen (sog. Verpflichtungserklärung). Möglich – aber in der Praxis komplizierter – ist auch die Bildung einer sog. Bietergemeinschaft, bei der es sich um einen Zusammenschluss mehrerer Unternehmen (meist in Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts) handelt, die dann auch Vertragspartner wird. Soweit es um die Erfüllung bestimmter Kennzahlen geht (z. B. Umsätze, Mitarbeiterzahlen), hat sich die sog. Eignungsleihe etabliert. Hierbei „leiht“ sich das Startup fremde Kapazitäten anderer Unternehmen. Oftmals findet hierbei auch eine Kombination aus Sub- bzw. Nachunternehmereinsatz mit gleichzeitiger Eignungsleihe statt, so dass z. B. der Sub- bzw. Nachunternehmer zugleich dem Startup seine Umsätze für die Erfüllung der Ausschreibungskriterien „leiht“.
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