Gastbeitrag von Jennifer Seipelt und Dr. Monika Eva Obal (Morrison & Foerster)
Gesellschaften benötigen Kapital, um den Geschäftsbetrieb oder das Unternehmenswachstum zu finanzieren. Abhängig von der jeweiligen Unternehmensphase und dem Finanzierungsbedarf kommen dabei unterschiedliche Finanzierungsarten und externe Kapitalgeber in Betracht. In der Praxis nutzen viele Startups eine Kombination aus Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung, um die Vorteile beider Ansätze zu nutzen sowie ihre finanziellen Bedürfnisse zu decken und gleichzeitig Nachteile abzumildern, das Wachstum strategisch voranzutreiben und dabei die Kapitalkosten zu minimieren. Es hängt von der spezifischen Branche und den Marktbedingungen sowie den strategischen Zielen und der jeweiligen Unternehmensphase ab, welche Finanzierungsinstrumente für ein Startup geeignet sind bzw. welche externen Finanzierungsinstrumente überhaupt zur Verfügung stehen.
Die meisten Startups können nicht nur durch Selbstfinanzierung bzw. sog. Bootstrapping wachsen, sondern benötigen früher oder später auch die Unterstützung durch externe Finanzierungsquellen, um ihren anfallenden Kapitalbedarf zu decken. Das kann bereits sehr früh in der Gründungsphase geschehen oder später in der Wachstumsphase, wenn bereits erste Unternehmensergebnisse vorliegen und das Geschäft weiter ausgebaut werden soll. Die gängigsten Formen der Eigenkapitalfinanzierung stellen Wandeldarlehen sowie Venture Capital Finanzierungsrunden dar. Bei der Fremdkapitalfinanzierung kommen klassische Bankkredite (z.B. Investitionskredite, Betriebsmittelkredite oder Avalkredite) sowie sog. Venture Debt, welches häufig, wenn auch nicht ausschließlich, zur Überbrückung des Zeitraums von Venture Capital Finanzierungsrunden bis zur Erreichung der Gewinnschwelle (Cashflow-Break-Even) gewährt wird, in Betracht. Daneben können Startups unter Umständen auch öffentliche Fördermittel in Anspruch nehmen. Eine auf das Startup abgestimmte Finanzierungsstrategie kann zum nachhaltigen Wachstum und Erfolg der Gründer*innen im Fall eines Exits beitragen.
Startups haben zwischen der Gründungsphase bis zur Erreichung der Gewinnschwelle (Cashflow-Break-Even) mangels eines oder aufgrund eines nur sehr geringem (positiven) EBITDA bzw. Cashflow und der Möglichkeit, nur eingeschränkt (werthaltige) Sicherheiten zu bestellen, nur eingeschränkten Zugang zu klassischen Fremdkapitalfinanzierungen. Für Fremdkapitalgeber ist entscheidend, dass das Startup ein tragfähiges Geschäftsmodell vorweisen kann und sich bereits ein nachhaltiges und starkes Umsatzwachstum eingestellt hat oder zumindest prognostizieren lässt. Zudem muss das Startup das Fremdkapital auch zurückzahlen können. Die Konditionen für Fremdkapitalfinanzierungen sind außerdem häufig schlechter als für etablierte Unternehmen. Der Entwicklungszyklus eines Startups wird daher meist zunächst mit Eigenkapitalfinanzierungen in Gang gesetzt. Bei Eigenkapitalfinanzierungen trägt das Startup keine Schuldenlast, da diese Gelder nicht zurückgezahlt werden müssen. Eigenkapitalfinanzierungen verwässern aber die Beteiligungsverhältnisse der Gründer*innen, da diese wirtschaftlich einen Teil ihrer zukünftigen Gewinne (in Form von Dividenden oder Veräußerungserlösen) abgeben. Deshalb wird in späteren Entwicklungsphasen ein passender Mix aus Eigenkapital- und Fremdkapitalfinanzierung entscheidend für das weitere Wachstum des Startups sowie insbesondere auch für die Ausstiegschancen und -erfolge der Gründer*innen als Gesellschafter. Die Möglichkeit der Fremdkapitalfinanzierung sollte deshalb nicht aus den Augen verloren gehen.
Um eine passende Finanzierungsstrategie zu entwickeln, ist es für die Gründer*innen eines Startups zunächst unerlässlich, sich gut vorzubereiten und einen aussagekräftigen Business Plan, einschließlich einer Planung bzw. Prognose des Cashflows sowie des Kapitalbedarfs, zu erstellen. Im Hinblick auf die Finanzierungsstruktur zur Deckung des so ermittelten Kapitalbedarfes empfiehlt es sich dann insbesondere, etwaige Vor- und Nachteile einer Venture Capital Finanzierungsrunde und einer Fremdfinanzierung für das konkrete Geschäftsmodell umfassend abzuwägen.
Im Hinblick auf die Kapitalkosten ist z.B. zu berücksichtigen, dass eine Venture Capital Finanzierungsrunde keine regelmäßigen Zins- und Rückzahlungen mit sich bringt, d.h. der Cashflow des Startups nicht direkt verringert wird, wohingegen der Zins- und Rückzahlungsplan einer Fremdfinanzierung mit den Cashflow-Prognosen des Startups übereinstimmen muss.
Umgekehrt kann eine Venture Capital Finanzierungsrunde aber für die Gründer*innen auf lange Sicht teurer sein, da es den Verzicht auf einen Teil des zukünftigen Gewinns erfordert, insbesondere Liquidationspräferenzen die Investoren überproportional bevorzugen können.
Die Venture Capital Finanzierungsrunde zieht keine Minderung des steuerlichen Gewinns des Startups nach sich, der Zinsaufwand für Fremdkapital ist dagegen häufig steuerlich absetzbar.
Im Unterschied zu der Aufnahme von Fremdkapital führt jede Venture Capital Finanzierungsrunde zu einer weiteren Verwässerung der Beteiligungs- und Kontrollverhältnisse der Gründer*innen an dem Startup und der Einräumung von Mitspracherechten zugunsten der Venture Capital Investoren auf Gesellschafterebene.
Venture Capital Investoren bringen allerdings oftmals wertvolles Fach- und Branchenwissen sowie Netzwerke und Kontakte mit, von denen das Startup profitieren kann.
Die Aufnahme von Fremdkapital kann Auswirkungen auf zukünftige Investitionsrunden haben sowie die Ausstiegschancen der Gründer*innen erschweren, da sich das Fremdkapital in der Regel negativ auf die zu erwartende Rendite der Venture Capital Investoren auswirkt.
Fremdkapital ist häufig schneller verfügbar als das durch eine Venture Capital Finanzierungsrunde bereitgestellte Kapital.
Im Ergebnis sind die Bedürfnisse, strategischen Ziele und Marktbedingungen in jeder Unternehmensphase des Startups sorgfältig zu bewerten, um die optimale Finanzierungsstruktur zu bestimmen.
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