Gastbeitrag von Minh Riemann (Dentons)
In der deutschen Arbeitswelt stehen bedeutende Veränderungen bevor, die insbesondere Startups vor neue Herausforderungen stellen. Im Zentrum dieser Veränderungen steht die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, ein Thema, das aufgrund jüngster gerichtlicher Entscheidungen und gesetzgeberischer Entwicklungen an Relevanz gewinnt.
Aktueller Stand und gesetzliche Grundlage
Bislang verlangt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) von Arbeitgebern lediglich, Überstunden sowie die Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen festzuhalten. Diese relativ lockere Regelung wird jedoch durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom September 2022 erweitert. Gestützt auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019, welches bisher vom deutschen Gesetzgeber nicht umgesetzt wurde, sind Arbeitgeber nun verpflichtet, ein umfassendes System zur Erfassung der Arbeitszeit einzuführen. Im April 2023 hat das Bundesarbeitsministerium daraufhin einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der eine generelle Pflicht zur Arbeitszeiterfassung vorsieht, wobei die Arbeitszeit grundsätzlich täglich und elektronisch aufgezeichnet werden muss.
Die neue Pflicht zur Arbeitszeiterfassung könnte mit der flexiblen und vertrauensbasierten Arbeitskultur in vielen Startups kollidieren. Die vorgeschriebene Aufzeichnung und zweijährige Speicherung der Arbeitszeiten bedeutet zudem eine zusätzliche bürokratische Last. Dennoch bietet der Gesetzesentwurf Spielräume und Ausnahmen, die für Startups relevant sein können.
Minh Riemann, Rechtsanwalt bei Dentons, erläutert im Folgenden kompakt und praxisnah, welche Möglichkeiten die Arbeitszeiterfassung für Startups bietet, was Founder tun und worauf Startups achten sollten.
Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen
Da der Gesetzgebungsprozess noch im Gange ist und sich die Gesetzeslage voraussichtlich bis Ostern 2024 nicht ändern wird, sollten Startups eine abwartende Haltung einnehmen. Voreilige Maßnahmen könnten sich als unnötig oder unzureichend herausstellen und später angepasst werden müssen.
Für Startups, die bereits jetzt eine Zeiterfassung einführen möchten, empfiehlt es sich, dies über eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag zu regeln und die Pflicht zur Zeiterfassung an den Arbeitnehmer zu delegieren. Dies ermöglicht es, die Flexibilität der Vertrauensarbeitszeit beizubehalten.
Spielräume und Ausnahmen, die für Startups relevant sein können:
Fazit
Die bevorstehende Pflicht zur Arbeitszeiterfassung stellt Startups vor neue Herausforderungen, bietet aber auch Gestaltungsspielräume. Eine informierte und abwartende Herangehensweise, gepaart mit flexiblen Lösungen, wird es Startups ermöglichen, sich an die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen, ohne ihre Innovationskraft und Arbeitskultur zu beeinträchtigen.
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