Online-Unterricht mit Lehrerin
Trendreport E-Learning: Corporate Learning

Methodisch-Didaktische Fragestellungen

Learning Design

Digitale Lernformen werden nur dann erfolgreich in Lernkonzepten eingesetzt, wenn man die Einsatzmöglichkeiten kennt, analysiert und zielführend in Lernszenarien einsetzt. Wir müssen Lernen neu denken und den Nutzen für den Lernenden und damit auch für die Organisation im Fokus haben. Dazu ist es wichtig, zunächst eine sorgfältige Bildungsbedarfsanalyse vorzunehmen. Diese sollte nicht nur unter operativen Gesichtspunkten beispielsweise durch Interviews oder Fragebogen erfolgen. Vielmehr ist es wichtig, die Bildungsbedarfsanalyse aus dem strategischen Blickwinkel zu betrachten – wo steht die Organisation jetzt, wo will sie hin – und wie kann man sie auf die Zukunft und das strategische Ziel ausgerichtet qualifizieren. Dafür eignet sich zum Beispiel eine SWOT-Analyse oder ein Reifegradmodell.

Nach der Identifikation der Bildungsbedarfe ist die Definition der jeweiligen Lernziele wichtig, die man nach kognitiven, affektiven und psychomotorischen Lernzielen (Bloomsche Lernzieltaxonomie) einteilen kann. Diese Lernziele müssen vor der Umsetzung konkret, transparent, operationalisierbar und messbar formuliert werden. Nur mit Hilfe sauber definierter Lernziele können alle weiteren Entscheidungen für ein zielführendes Learning Design getroffen werden.

Neben den Lerninhalten und den Lernzielen ist natürlich auch die Analyse der Zielgruppe entscheidend. Über Vorwissen, Motivation oder Medienkompetenz hinaus, gibt es viele weitere Kriterien die wichtig sein könnten, etwa die Homo- oder Heterogenität der Zielgruppe. Eine sinnvolle Herangehensweise kann auch die Entwicklung von Personas sein, die z. B. auch soziodemografische Aspekte berücksichtig. Aufbauend auf der Analysephase kann man mit der Konzeption beginnen. Dabei können Modelle des Instruktionsdesigns wie das ADDIE-Modell (Analysis, Design, Development, Implementation, Evaluation; Robert Gagné) oder das DO-ID-Modell (Helmut Niegemann[1]) sehr gute Hilfestellung leisten. Darüber hinaus ist es wichtig zu wissen, wann sich welche Lernform, wie Web Based Trainings (WBT), Virtuelle Klassenräume (VC) oder Videos, eignet und wie man sie zielführend zu einem Blended Learning-Konzept kombiniert. (Siehe hierzu auch Digital gestützte Formate.)

Wichtig ist, ein ganzheitliches Learning Design zu entwickeln, in dem die einzelnen Phasen aufeinander abgestimmt und die Lernenden effizient an ihr Ziel herangeführt werden.


[1] Siehe hierzu ausführlich: Niegemann, Helmut M. et al. (2008): Kompendium multimediales Lernen. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-540-37226-4.

Wo kommt der Content her?

„Make or Buy”, selber erstellen oder extern erwerben und ggf. anpassen lassen? Vor dieser Frage stehen Schulungsverantwortliche immer wieder, wenn es um den Einsatz von Web Based Training (WBT) geht.

Bei der Option „Buy“ geht es häufig um (anpassbare) Lernprogramme, die E-Learning Anbieter zu standardisierten Inhalten wie IT-Themen, Softskill-Grundlagen oder rechtlich vorgeschriebenen Schulungen als Kauf oder Mietlösungen anbieten. Vorteile: Die Kurse sind schnell verfügbar, schonen eigene Ressourcen und sind häufig kostengünstig. Durch Anpassungsoptionen können diese Vorteile mit den Vorzügen maßgeschneiderter Kurse kombiniert werden. Allerdings: Ab einem bestimmten Grad an Anpassungsbedarf lohnt sich eher eine Individualentwicklung. Auch diese kann von E-Learning Agenturen als Dienstleistung eingekauft werden. Per Miete können die Investitionskosten geringgehalten werden, wenn es sich um zeitlich begrenzte Schulungskampagnen handelt. Viele Anbieter stellen zusätzlich Lernportale bereit, sodass keine eigene Infrastruktur zur Bereitstellung von WBT erforderlich ist.

Make“ ist immer dann die naheliegende Option, wenn es sich um unternehmensspezifische Themen handelt, die als Online-Training geschult werden sollen. Solche maßgeschneiderten Kurse können extern beauftragt oder intern selbst erstellt werden. Vorteile der internen Erstellung: Hauseigene WBT-Teams kennen Zielgruppen am besten und können Lernprogramme optimal auf deren Bedarfe zuschneiden und Veränderungen schnell einpflegen. Zusätzlich bietet ein eigenes E-Learning Team Möglichkeiten zur Personalentwicklung. Aber: Eigene Teams müssen bewirtschaftet werden und nicht jede interne Fach- oder Trainingskraft ist für eine qualitativ angemessene E-Learning Konzeption geeignet. Auch wenn Anbieter von Autorentools von „kinderleichter“ E-Learning Erstellung sprechen, ist E-Learning Produktion eine Profession, die externe E-Learning Anbieter beherrschen. Hier gilt es zwischen Qualität und Authentizität abzuwägen: Von Kolleginnen und Kollegen entwickelte digitale Lerninhalte stoßen zwar häufig auf eine hohe Akzeptanz, weil sie Bedarf und Ton der Zielgruppe treffen, diese Akzeptanz kann aber durch mangelnde didaktische Qualität wieder verspielt werden. Hierbei ist ein transparenter Austausch beim Erstellen des E-Learnings zwischen Didaktik- und Fachexperten entscheidend.

Mittlerweile muss es „Make, Buy or Take“ heißen. „Take“ bezieht sich auf digitale „Open Educational Resources“ (OER), die kostenfrei am Markt verfügbar sind. OER sind wie bei „Make“ und „Buy“ i.d.R. didaktisch aufbereitete Lehr- und Lernmaterialien, allerdings nur teilweise Lernprogramme. Durch die Veröffentlichung unter einer offenen Lizenz wie Creative Commons dürfen OER vervielfältigt, verändert und kombiniert werden. Dem Vorteil der freien Verfügbarkeit dieser offenen Bildungsmaterialien steht i.d.R. eine geringe Bedarfsgenauigkeit gegenüber. Deshalb müssen besonders diese Inhalte kuratiert werden, d.h. für definierte Schulungs-Kontexte und -Bedarfe geprüft, ausgewählt und aufbereitet werden.

Learning Experience

Lernen muss weh tun? Weit gefehlt! Lernen soll Spaß machen. Lernenden soll ein positives Lernerlebnis ermöglicht werden, das ihnen die notwendigen Lerninhalte im „moment of need” und in der zielführenden Form zur Verfügung stellt. Dabei geht es weniger um die technischen Möglichkeiten als um didaktisch sinnvolle Darbietung der Inhalte. Langfristig ist das Ziel, den Lernenden ihren individuellen Lernpfad zur Verfügung zu stellen. Learning Experience hat somit sehr viel mit Learner Centricity zu tun. Stellen wir die Lernenden mit ihren Bedürfnissen in den Mittelpunkt, z. B. durch eine personalisierte Ansprache, Verfügbarkeit von Lernmaterial im „Moment of Need“, im eigenen Lerntempo lernen können, geeignete Inhalte vorgeschlagen bekommen und auch von anderen lernen zu können. Es sollte nicht immer die ausgefallene technische Lösung sein, sondern eher die lernendenzentrierte, intelligente und effiziente Lernlösung. Die technische Lösung selbst sollte natürlich auch eine hohe Nutzerfreundlichkeit ausweisen. Gerade in Lernplattformen steht eine Vielfalt an Inhalten zur Verfügung, die von den Lernenden erst einmal nach ihren Bedarfen gefunden werden müssen, in denen sie hilfreiche Contents mit anderen teilen und bewerten können und wo sie selbst Inhalte entwickeln können. Im Kontext von Learning Experience sind noch zwei Themen von besonderer Bedeutung: Selbstlernkompetenz und Social Learning. Selbstlernkompetenz fördert man, in dem man den Lernenden hilft, sich eigene Lernziele zu setzen, sie im Lernprozess zu unterstützen, mit ihnen das Erlernte zu reflektieren und Erfolge wertzuschätzen und bei Misserfolgen positiv zu unterstützen. Das Social Learning wird in der Learning Experience ebenfalls zunehmend wichtiger. Deshalb ist es von großer Bedeutung, die soziale Einbindung zu fördern, den Austausch in der Peer Group und mit den Vorgesetzten zu nutzen, gemeinsam Lösungen zu entwickeln und auch kollaborativ Inhalte zu erstellen (Co-Creation, User Generated Content).

Smart Learning Environments

Lernen und Arbeiten wächst zusammen. Wir müssen also Lernen ganzheitlich denken und im Kontext von Smart Learning Environments (SLE) als Kombination von physischen Lernräumen und digitalen Möglichkeiten betrachten. Typische digitale Lerntechnologien, die in SLE zum Einsatz kommen, sind beispielsweise, Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR), Künstliche Intelligenz (KI) sowie die Möglichkeiten des Internet of Things (IoT). Die Technologie nimmt einen hohen Stellenwert ein, hat aber immer den Fokus auf die Lernenden und ihre Bedarfe und Bedürfnisse. Es wird eine Vielfalt an Zugängen zu Lerninhalten angestrebt, die den Lernenden am Arbeitsplatz die Möglichkeit zum Wissenserwerb geben. Um sinnvoll SLEs zu entwickeln, muss man sich neben der Analyse der Organisationskultur vor allem mit den Bedürfnissen der Lernenden beschäftigen. Ein Ziel ist es dabei, die intrinsische Motivation zu fördern. Die physischen Lernräume werden so gestaltet, dass die Lernenden realitätsnah, flexibel, individuell oder kollaborativ lernen können, eine lernförderliche (Raum-) Atmosphäre schaffen – dazu gehören auch frische Luft, Pflanzen und entsprechendes Licht – sowie digitale Lernelemente in den physischen Raum optimal und zielführend für die Lernenden integrieren (z.B. Inhalte über QR-Codes abrufbar zu machen oder AR-Anwendungen zu starten). Dabei sollte man aber auch im Blick behalten, wie man die Lernenden digital wie analog optimal im Lernprozess unterstützen kann.

Organisatorische Fragestellungen

Neben der “Make”, “Buy” oder “Take” Entscheidung sind weitere essentielle organisatorische Fragestellungen zu betrachten. Digitale Lernangebote haben den Vorteil zeit- als auch ortsflexibel konsumiert werden zu können. Das bedeutet für die Mitarbeitenden viel Entscheidungsfreiheiten und Selbstverantwortung. Im Gegenzug muss das Unternehmen die Rahmenbedingungen festlegen. Ist Lernzeit gleich Arbeitszeit und wenn ja, in welchem Umfang? Werden Mitarbeiter, die “schneller” eine Lerneinheit abschließen belohnt? Mit welchen Endgeräten darf ich die Lernplattformen nutzen? Nur am Firmenlaptop oder auch auf dem mobilen Gerät, etwa im öffentlichen Nahverkehr, um Reise- und Pendelzeiten sinnvoll zu nutzen? Was gilt für Mitarbeiter, die kein mobiles Gerät vom Unternehmen gestellt bekommen? Trotz dieser Flexibilität fehlt der Belegschaft häufig die Zeit, entsprechend müssen Umschulungen oder Weiterbildungen maximal effizient, möglichst auf die jeweiligen Bedürfnisse und Vorkenntnisse der Mitarbeitergruppen abgestimmt und flexibel in den Arbeitsalltag integriert werden können.

Stakeholder

Diese und viele weitere Fragestellungen müssen im Vorfeld geklärt werden. Es bietet sich an, klare Verantwortlichkeiten festzulegen und die unterschiedlichen Stakeholder miteinzubeziehen. Die strategische Ausrichtung der Geschäftsführung, die Bedürfnisse und Wünsche der Mitarbeitenden, Führungskräften, aber auch des Betriebsrats sollten berücksichtigt werden, damit digitales Corporate Learning die nötige Akzeptanz sowie Zuspruch und Verbreitung im Unternehmen erhält. In vielen Projekten zur Einführung von digitaler Weiterbildung wird der Betriebsrat außen vorgelassen. Die Chance für eine nachhaltige Akzeptanz und Nutzung steigt jedoch, sofern der Betriebsrat von Beginn an mit an Bord ist. Aufkommende Missverständnisse oder Unklarheiten zur Datenerfassung können von Anfang an aufgeklärt werden. Lerndaten dienen nicht dazu, um die Mitarbeitenden zu überwachen und bloßzustellen. Sondern, um die Qualität und Effektivität von Lerninhalten zu bewerten und optimieren zu können. Außerdem können Lerndaten in entsprechenden Lernplattformen pseudonymisiert für die Förderung des individuellen Lernens genutzt werden.

Datenmanagement

Lerndaten sind, wie alle personenbezogenen Daten, sensibel und erfordern einen rechtssicheren Umgang. Fragen, etwa zu Datenspeicherung, Datenlöschung oder dem Datenzugriff, müssen zum einen mit der DSGVO-konform als auch transparent für die Mitarbeitenden sein. Im Zuge von Corona wurden viele Videokonferenztools auf die Schnelle operativ genutzt, ohne wichtige Fragen zum Ort der Datenspeicherung vollständig geklärt zu haben. Manche Unternehmen haben die Nutzung im zweiten Schritt untersagt. Viele Anbieter sind auf die Anforderungen eingegangen und bieten mittlerweile europäische Serverstandorte an. Grundsätzlich muss bei jeder Software geprüft werden, ob die Anforderungen an den Datenschutz erfüllt sind und auch bleiben. Dies gilt für Lernangebote genauso wie für Buchhaltungssoftware oder andere Angebote.

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Implementierung von digitaler Weiterbildung ist die Unterscheidung der Zielgruppe in White Collar und Blue Collar Worker. Die erste Gruppe verfügt meist über eine individuelle technische Grundausstattung. Diese ist nötig, um digitale Lerninhalte zu konsumieren. Ein fester, ruhiger Arbeitsplatz ist ein weiterer Vorteil für diese Gruppe an Mitarbeitenden. Blue Collar Worker arbeiten hingegen in Produktionshallen, haben selten eigene digitale Endgeräte und selbst in Gruppenräumen herrscht keine geeignete Atmosphäre um konzentriert zu lernen.

Zielgruppen

Das weitaus größere Problem besteht jedoch darin, dass für Blue Collar Worker meist keine eigenen Benutzerkonten im Unternehmensnetzwerk bestehen. Dies ist aber grundlegend, für ein eigenes E-Mail-Postfach, den individuellen Nutzerlogin im Lernmanagement-System und weiteren digitalen Anwendungen für Lerninhalte (Webinar Software, usw.). Dies stellt bei der Einführung von digitalen Lerninhalten, bei der die Kommunikation, Terminerinnerungen etc. über E-Mail und die Erfassung der Lernfortschrittsdaten über ein individuelles eindeutig zugeordnetes Benutzerkonto erfolgt, eine schwerüberwindbare Hürde dar. Viele Unternehmen haben diese Problematik und die damit verbundenen zusätzlichen Kosten nicht im Blick. Ein eigenes Nutzerkonto ist zudem nur der Anfang. Der Zugang zu Computern oder mobilen Endgeräten, die von den Werkarbeitern genutzt werden können, die Einrichtung von eigenen oder gemeinschaftlich nutzbaren ruhigen Lernräumen und im Arbeitsalltag fest integrierte Lernzeiten sind ebenfalls nötige Investitionen, die von den Unternehmen umzusetzen sind. Diese Investitionen lohnen sich in vieler Hinsicht: Von der Wertschätzung bis hin zu der aktiven Weiterentwicklung und dem damit bisher nicht ausgeschöpften Potenzial dieser Mitarbeitergruppe, die zahlenmäßig in vielen Betrieben die Mehrheit ausmacht.

Unternehmenskultur

Über all den organisatorischen Aspekten steht jedoch die Unternehmenskultur. Der Einsatz von neuer Technologie kann nur erfolgreich und nachhaltig sein, wenn die Kultur im Unternehmen dazu passt und diese unterstützt. Studien belegen, dass Unternehmen mit einer starken Unternehmenskultur, Krisen erfolgreicher bewältigen. Umso erstaunlicher ist es, dass viele Managerinnen und Manager die Rolle der Unternehmenskultur unterschätzen. Wer möchte, dass die Mitarbeitenden selbstständig und eigenverantwortlich lernen, muss dies im Unternehmen vorleben. Lernsessions sind nicht weniger wertvoll als Meetings oder Kundentelefonate und sollten daher nicht unterbrochen werden. Mitarbeitervorschläge zu Lernangeboten sollten, auch wenn diese extern oder von Dritten angeboten werden, nach einer Qualitätsprüfung denselben Stellenwert bekommen wie interne Angebote. Werden Kompetenzen im privaten Bereich ausgebaut, z. B. in Form von Ehrenamt, Engagements etc., profitiert auch das Unternehmen davon. Weiterbildung zum Jahresbeginn zu planen und dann nicht wieder zu hinterfragen oder zu ändern, ist heutzutage in vielen Bereichen nicht mehr zeitgemäß. Generell zeigt sich, dass nicht nur der Lernbedarf der Mitarbeitenden ein agiler Prozess ist, sondern auch jedes Projekt im Bereich Weiterbildung agil durchgeführt werden sollte. Ein agiles Vorgehen ist zu empfehlen, da sehr zeitnah mit einem Pilotprojekt gestartet werden kann. Die Erfahrungen können dann gesammelt und direkt in die Folgeprojekte eingearbeitet werden. Auf diese Weise kann nach und nach ein digitales Angebot ausgeweitet werden.

Ressourcenschonend

Die Digitalisierung, gerade des Corporate Learning, birgt ein großes ökologisches Optimierungspotential hinsichtlich des Einsparens von CO2 durch beispielseiweisewegfallende Reisekosten. Viele digitale Lernformate sowie Plattform- und Prozessdigitalisierung im Corporate Learning können dazu beitragen, dass Lernen klimaschonender wird. Präsenzlernen kann lokal und regional organisiert werden und nicht-lokales Expertenwissen über digitale und hybride Formate herbeigeholt werden.