Die Rechtssicherheit für Unternehmen und für Externe kann nur durch Gesetzesänderungen insbesondere im Arbeits- und Sozialrecht erlangt werden. Änderungen im untergesetzlichen Bereich und des Statusfeststellungsverfahrens sind hierfür nicht ausreichend. Die Gesetze müssen an die gewandelte Arbeitswelt und an die Anforderungen der Digitalisierung angepasst werden. Es müssen Ausnahmen für die Fälle geschaffen werden, die von dem Schutzzweck der Gesetze nicht erfasst sind.
Die „klassischen“ Kriterien „Weisungen“ und „Eingliederung in die Arbeitsorganisation“ als Merkmale einer abhängigen Beschäftigung berücksichtigen die Sachzwänge und Besonderheiten agiler Methoden nicht. Die Kriterien und Indizien sowie deren Gewichtung müssen neuen Arbeitsformen Rechnung tragen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem eigenen Personal und externen Experten ist für den Erfolg agiler Projekte und damit auch für den Fortschritt der Digitalisierung unerlässlich.
Die Frage nach der Schutzbedürftigkeit muss bei der Beurteilung der Statusfrage eine entscheidende Rolle spielen. Die Tätigkeit von spezialisierten IT-Freelancern und Digitalisierungsexperten, welche überdurchschnittliche Einkommen erzielen und sich autark und bewusst für Werk- oder Dienstverträge entscheiden, sind nicht mit sog. prekären Einsatzformen vergleichbar. Verträge werden auf Augenhöhe geschlossen.
Privatautonomie und Vertragsfreiheit sind wichtige Pfeiler unserer Rechtsordnung, die Berufsfreiheit sogar ein verfassungsrechtlich verankertes Grundrecht. Die Rechtslage zum Fremdpersonaleinsatz sollte diesen Grundsätzen Rechnung tragen und den Vertragspartnern ermöglichen, die Einsatzform zu wählen, die beide Vertragspartner einvernehmlich wünschen.
Die Unternehmen sehen sich als Rechtsanwender mit einer äußerst komplexen und unklaren Rechtslage einerseits und schärfsten Sanktionen bei Fehleinordnungen andererseits konfrontiert. Letztere können zu Nachzahlungen von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen inklusive hoher Säumniszuschläge sowie zur Verwirklichung von Bußgeldtatbeständen und im schlimmsten Fall zu strafrechtlichen Verurteilungen führen. Die Ergebnisse von behördlichen Prüfungen ebenso wie der Ausgang langjähriger arbeitsgerichtlicher bzw. sozialgerichtlicher Verfahren sind unvorhersehbar und oft widersprüchlich.
Die Frage, ob eine Tätigkeit als abhängige Beschäftigung oder als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren ist, berührt die drei unterschiedlichen Rechtsgebiete Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht. Einheitliche, für alle Rechtsgebiete geltende Prüfkriterien und/oder Auslegungshinweise existieren nicht. Prüfende Stellen kommen daher selbst bei Beurteilung desselben Falls nicht selten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Es bedarf daher zwingend einer Harmonisierung der Beurteilungskriterien in den verschiedenen Rechtszweigen.
Das Statusfeststellungsverfahren sollte der Schaffung von Rechtssicherheit im Hinblick auf den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Beschäftigungsverhältnisses dienen. Es erfüllt diese Funktion jedoch nur sehr eingeschränkt und nur in Einzelfällen. Es ist deutlich zu langsam, zu intransparent, zu pauschal und führt in der überwiegenden Anzahl der Fälle zur Feststellung einer Versicherungspflicht mit allen Konsequenzen für die Beteiligten. Dies liegt auch daran, dass in den zugrunde liegenden Sachverhalten u.a. agil in gemischten Teams zusammengearbeitet wird. Die im Juni 2021 beschlossene Reform des Statusfeststellungsverfahrens behebt diese Defizite nicht. Die Rechtsschutzmöglichkeiten sind zu langwierig und werden dem Interesse der Beteiligten an einer frühzeitigen Rechts- und Planungssicherheit nicht gerecht.
Größtmögliches Vertrauen in die vollständige Unabhängigkeit der Clearingstelle ist Grundlage für einen offenen Umgang mit und einer sachorientierten Evaluation von Fällen in Grenzbereichen. Die vergleichsweise geringe Anzahl von freiwillig initiierten Statusfeststellungsverfahren - insbesondere im Kontext von IT-Leistungen und agilen Arbeitsmethoden - belegt das fortbestehende Vorhandensein von Vorbehalten. Es bedarf daher einer organisatorischen und rechtlichen Trennung von Clearingstelle und Prüfbehörde (DRV).