Berlin, 05. Juli 2023 - Deutschlands digitale Wirtschaft zeigt sich krisenfest. Das Geschäftsklima ist im Gegensatz zur Gesamtwirtschaft weiterhin positiv, der Markt wächst und es entstehen neue Jobs. 2023 erwartet der Digitalverband Bitkom für die Unternehmen der IT und Telekommunikation (ITK) im deutschen Markt ein Umsatzplus von 2,1 Prozent auf 213,2 Milliarden Euro. Für 2024 kündigt Bitkom eine Verdopplung des Wachstums auf 4,7 Prozent und Inlandsumsätze von 223,2 Milliarden Euro an. Das berichtet Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst in Berlin. Die Unternehmen der IT- und Telekommunikation beurteilen ihre Geschäftslage insgesamt als gut, wie Erhebungen von Bitkom und ifo Institut weiterhin zeigen. Der von beiden Organisationen gemeinsam erstellte Digitalindex lag im Juni bei 12,1 Punkten und hebt sich damit deutlich von der Gesamtwirtschaft ab, die laut ifo mit -6,6 Punkten erneut im Minus liegt. Wintergerst: „Die Unternehmen der Bitkom-Branche stehen stabil in einem schwierigen Umfeld und blicken optimistisch in die Zukunft. Die Politik sollte diese positive Dynamik verstärken und den Unternehmen mehr Freiräume für Innovationen und mehr Planungssicherheit geben.“ Es brauche quer durch alle Branchen und in der öffentlichen Verwaltung eine massive Erhöhung der Investitionen in digitale Technologien und parallel mehr Schutz im Cyberraum. Die Unternehmen der Digitalwirtschaft gehen hier voran und werden ihrerseits auch 2023 größtenteils nicht an Investitionen sparen. Nachdem bereits im Vorjahr 33 Prozent der ITK-Unternehmen ihre Investitionen angehoben haben, sind es in diesem Jahr 36 Prozent. 49 Prozent halten das Niveau des Vorjahres, 15 Prozent fahren ihre Investitionen zurück. Investitionsschwerpunkt ist Software.
Die Bitkom-Branche bleibt ein Job-Motor und schafft in diesem Jahr in Deutschland rund 12.000 neue Jobs. Bis Ende 2024 kommen voraussichtlich noch einmal rund 39.000 weitere Arbeitsplätze hinzu. Insgesamt hat die Branche in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren mehr als eine halbe Million zusätzliche Jobs geschaffen: von rund 806.000 Arbeitsplätzen in 2004 auf voraussichtlich 1,35 Millionen in 2024. „Das Job-Wachstum würde noch sehr viel stärker ausfallen, wenn ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stünden“, beschreibt Wintergerst eines der drängendsten Probleme der Branche. Zuletzt gab es in Deutschland 137.000 offene Stellen für IT-Fachkräfte. Wintergerst: „Der Fachkräftemangel wird sich in den kommenden Jahren drastisch verschärfen, wenn nicht konsequent gegengesteuert wird - mit einem bedarfsorientierten Einwanderungsrecht und einer digitalen Bildungsoffensive.“
Das größte Wachstum kann die Informationstechnik verbuchen. Mit IT werden 2023 nach aktueller Prognose 143,6 Milliarden Euro umgesetzt. Das entspricht einem Plus von 3 Prozent. Am stärksten wachsen die Umsätze mit Software (41,5 Milliarden Euro; +9,6 Prozent). Besonders stark wachsen dabei die Geschäfte mit Software für die Systeminfrastruktur von Unternehmen (+9 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro), darunter insbesondere Sicherheits-Software (+18,3 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro). Plattformen für die Entwicklung, das Testen und die Bereitstellung von Software wachsen um 11,5 Prozent auf 10,9 Milliarden Euro. Künstliche Intelligenz spielt innerhalb dieses Segments mit einem herausragenden Wachstum um 40,8 Prozent auf eine Milliarde Euro eine immer wichtigere Rolle. Mit Kollaborations-Tools, also Anwendungen zur Zusammenarbeit und zum mobilen Arbeiten werden mittlerweile 1,4 Milliarden Euro umgesetzt (+15,4 Prozent). Die Umsätze mit IT-Dienstleistungen steigen 2023 um 5,3 Prozent auf 49,4 Milliarden Euro. Dieses Geschäft ist zumeist langfristig angelegt und wird weniger stark von Konjunkturschwankungen beeinflusst.
Die IT-Hardware ist nach drei Jahren starken Wachstums dagegen mit einem Minus von 3,6 Prozent rückläufig, die Umsätze liegen in diesem Jahr voraussichtlich bei 52,6 Milliarden Euro. Wachstum gibt es vor allem im Bereich Infrastructure-as-Service, also bei gemieteten Servern, Netzwerk- und Speicherkapazitäten. Noch ist dieses Untersegment mit einem Volumen von 4,7 Milliarden Euro vergleichsweise klein, allerdings dürften sich Wachstumsraten wie in diesem Jahr (+26,3 Prozent) fortsetzen. Die gestiegene Gefahr durch Cyberangriffe sorgt für eine wachsende Nachfrage bei Sicherheitstechnologien, dieses Segment soll 2023 Jahr um 6,6 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro wachsen. Rückläufig sind dagegen nach starken Zuwächsen während der Corona-Pandemie erneut die Ausgaben etwa für mobile PCs (-15,3 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro) sowie Desktop PCs (-14,4 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro). Tablets verzeichnen mit einem Minus von 18,8 Prozent den stärksten Umsatzrückgang und liegen jetzt bei einem Umsatz von 2,1 Milliarden Euro. „Mit Beginn der corona-bedingten Einschränkungen haben Unternehmen und Privathaushalte massiv in Geräte investiert. Der aktuelle Knick ist die erwartbare Folge des steilen Wachstums der Vorjahre“, ordnet Wintergerst das Minus bei Endgeräten ein. „2024 sollte sich der Endgerätemarkt erholen und wir rechnen dann wieder mit einem leichten Wachstum.“
Der Markt für Telekommunikation wird in diesem Jahr nur minimal wachsen (+0,4 Prozent auf 69,6 Milliarden Euro Umsatz). Mit Telekommunikationsdiensten werden nach Bitkom-Berechnungen 50 Milliarden Euro umgesetzt, das entspricht einem leichten Plus von 1 Prozent. Auch die Investitionen in die Telekommunikations-Infrastruktur steigen, plus 3 Prozent auf 8,2 Milliarden Euro sind angekündigt. Der Dämpfer kommt in der Telekommunikation ebenso wie in der IT von den Endgeräten: Das Endgeräte-Geschäft schrumpft voraussichtlich um 4 Prozent auf 11,5 Milliarden Euro. Besonders erfreut zeigte sich Bitkom-Präsident Wintergerst, dass die Netzbetreiber weiter massiv in den Ausbau von Glasfaser und 5G-Netzen investieren. „Die Politik muss dafür sorgen, dass die Investitionen noch schneller vor Ort ankommen, z.B. durch die Verschlankung und Digitalisierung der Verwaltungsverfahren.“ Allein bis ein Bauantrag genehmigt ist, vergehen nach Bitkom-Angaben in Deutschland bis zu 14 Monate. Wintergerst: „Der lang erwartete Pakt für Beschleunigung von Bund und Ländern ist überfällig. Die Bürokratie ist aktuell der größte Bremsklotz für das digitale Deutschland.“
Die Unterhaltungselektronik hat seit Jahren mit Umsatzrückgängen zu kämpfen, lediglich im Corona-Jahr 2020 gab es mit einem Plus von 6,3 Prozent auf 9,3 Milliarden Euro eine Verschnaufpause im deutschen Markt. Für 2023 geht die Prognose von einem Minus von 2,0 Prozent sowie einem Umsatzvolumen von 8,1 Milliarden Euro aus. „Die Unterhaltungselektronik steht unter Druck. Während der Corona-Pandemie haben die Menschen ihre Häuser und Wohnungen technisch aufgerüstet, aktuell ist der Markt weitgehend saturiert“, betont Wintergerst. So entfällt ein großer Teil (39 Prozent) des Marktvolumens auf TV-Geräte, die nur in längerfristigen Intervallen ersetzt werden. Zuwächse gibt es derzeit vor allem bei Spielkonsolen, wo es im vergangenen Jahr aufgrund gestörter Lieferketten und des Chipmangels zu einem Auftragsstau gekommen war. Im ersten Quartal 2023 wurde hier ein Wachstum von 133 Prozent verzeichnet. Daneben stechen in der Unterhaltungselektronik vor allem Kopfhörer, Headsets sowie Bluetooth-Lautsprecher positiv hervor.
Weltweit werden die Umsätze mit IT und Telekommunikation 2023 voraussichtlich um 4,0 Prozent auf 4,67 Billionen Euro steigen. Dabei bauen die USA ihre schon in der Vergangenheit dominante Stellung mit einem überdurchschnittlichen Plus von 4,4 Prozent weiter aus. 37,5 Prozent der Investitionen und weiterer Ausgaben für IT und Telekommunikation kommen aus den USA. Auf Rang zwei liegt China mit einem Anteil von 11,6 Prozent, dahinter folgt Japan mit 4,9 Prozent. Deutschland liegt mit 4,0 Prozent Anteil an den globalen ITK-Umsätzen auf Rang 5, seit kurzem hinter Großbritannien (4,3 Prozent).
Anlässlich dieser Zahlen appelliert Wintergerst an die Bundesregierung, mehr für digitale Technologien und Deutschlands digitale Wettbewerbsfähigkeit zu tun. Digitale Technologien seien für Deutschlands Wohlstand und zur Bewältigung der großen Herausforderungen wie Dekarbonisierung oder demografischem Wandel entscheidend. „Deutschland und Europa müssen eigene digitale Kernkompetenzen aufbauen und Innovationen vorantreiben. Mehr digitale Souveränität lautet das Ziel.“ Dazu brauche es massive Investitionen in Forschung und Entwicklung, Offenheit gegenüber Neuem und den unbedingten Willen, bei Innovationen ganz vorn mitzuspielen. Parallel müsse die Cybersicherheit gestärkt werden. „Mit dem russischen Angriffskrieg hat die Bedrohung durch Cyberattacken für Wirtschaft und staatliche Stellen nochmals stark zugenommen“, so Wintergerst. „Die Sicherheit im Cyberraum gehört ganz oben auf die Agenda.“
Grundlage der Angaben zur Marktentwicklung sind Daten der Bitkom Research in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut IDC. Der Bitkom-ifo-Digitalindex basiert auf der monatlichen ifo Konjunkturumfrage und bildet sich aus dem geometrischen Mittel der Werte für die Geschäftslage und die Geschäftserwartungen. Berücksichtigt werden Daten der Digitalbranche, die sich aus Unternehmen der Sektoren Verarbeitendes Gewerbe, Handel und Dienstleistungssektor zusammensetzt. Dazu zählen Hersteller von IT und Kommunikationstechnik, Unterhaltungselektronik, Anbieter von Software und IT-Dienstleistungen, Telekommunikationsdiensten sowie der Groß- und Einzelhandel mit ITK. Gewichtet wird nach Anzahl der Beschäftigten. Der Digitalindex und die weiteren Zeitreihen werden als saisonbereinigte Salden dargestellt.