Berlin, 31. Januar 2019 - Gestern wurden Änderungsanträge der regierenden Fraktionen der Union und der SPD zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) bekannt. Die Änderungsanträge sehen vor, dass das Bundesministerium für Gesundheit durch eine Mehrheitsbeteiligung an der Gematik mehr Verantwortung übernimmt. Außerdem müssen die Krankenkassen den Plänen zufolge bei Versäumnis der Frist zur elektronischen Gesundheitsakte mit Sanktionen rechnen. Des Weiteren soll der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Verantwortung für die semantische Interoperabilität elektronischer Patientenakten übertragen werden.
Der Bitkom begrüßt, dass die Politik die Kritik der Digitalwirtschaft an den Strukturen und der Arbeitsweise der Gematik gehört hat und mehr Verantwortung für die gemeinsame sichere Infrastruktur für das Gesundheitswesen übernehmen will. Gleichzeitig sollten nun neben der strategischen Verantwortung auch die Prozesse und Arbeitsstrukturen so angepasst werden, dass die Expertise aller Akteure im Gesundheitswesen effizient einfließen kann. Aktuell werden diese nur über den Beirat der Gematik eingebunden. Das ist unzureichend, wenn die elektronische Patientenakte trotz einer Spezifikation, die viele Probleme und einen engen Zeitplan mit sich bringt, für die Versicherten Realität werden soll.
Durch die im Änderungsantrag vorgesehenen Sanktionen entsteht für die Krankenkassen ein zunehmender Zeitdruck. Aus Sicht der Digitalwirtschaft sollten dennoch wichtige Grundprinzipien – innovationsfördernder Wettbewerb, Transparenz und die informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger bei der Wahl einer Patientenakte– nicht hinter den Anforderungen der Krankenkassen zurückfallen.
Die Übertragung der Kompetenz im Bereich der semantischen und syntaktischen Interoperabilität elektronischer Patientenakten an die Kassenärztliche Bundesvereinigung erscheint fragwürdig. „Die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung stimmen uns bei dieser Entwicklung besorgt. Die Expertise für diese Aufgabe liegt bei vielen unterschiedlichen Gruppen, zu denen medizinische Fachgesellschaften, Industrie und Standardisierungsorganisationen gehören“, sagt Julia Hagen, Bitkom-Bereichsleiterin Health & Pharma. Die aktuelle Formulierung im Änderungsantrag, die notwendigen Festlegungen „im Benehmen“ mit den anderen Organisationen zu treffen, reicht nicht aus. Nach Ansicht des Bitkom müssen die benannten Akteure zwingend beteiligt und deren Eingaben nachweislich berücksichtigt werden. „Wir befinden uns an einem Scheideweg. Semantisch interoperable Daten sind die Grundlage für viele innovative Gesundheitsanwendungen. Ohne strukturierte Daten, die auf international anerkannten und genutzten Standards beruhen und der Realität der Versorgung und des Marktes entsprechen, fällt Deutschland zurück. KI-Anwendungen in der Gesundheit als Grundlage für eine verbesserte Versorgung und eine innovative Forschung Made in Germany rücken so in weite Ferne“, sagt Hagen.