Wintergerst: Liebe Frau Nahles, ich freue mich sehr, dass wir uns so kurz vor Weihnachten hier digital zu einem Gespräch treffen.
Nahles: Ja, hallo. Freue ich mich auch, Herr Wintergerst.
Wintergerst: Sie haben ja vor kurzem etwas verkündet. „Let's go cloud, all together now.“ Und damit haben Sie einen großen Schritt Richtung Cloud-Transformation der öffentlichen Verwaltung verkündet. Sie wollen cloudfähig werden und die neuen Herausforderungen auch durch KI dann annehmen. Nehmen Sie uns ein bisschen mit, was haben Sie denn beschlossen und vor allem warum?
Nahles: Naja, also ich glaube für die, die aus der Privatwirtschaft kommen, die Cloud nutzen, ohne da länger drüber nachzudenken, ist das vielleicht auch ganz schwer zu verstehen. Aber zurzeit haben wir eine Private Cloud bei der Bundesagentur, aber eben auch nicht mehr. Wir haben eben erst durch den Angemessenheitsbeschluss der Regierung Biden mit der Europäischen Union durchstarten können und haben uns dann eben entschlossen, dass wir eine Multicloud-Strategie fahren wollen. Das heißt, wir haben uns dann überlegt, naja, besser ist, wir sind zu groß, aber eigentlich, die anderen müssen noch dazukommen, Rentenversicherung, Unfallversicherung. Dann haben wir ein Gesamtvolumen von 100 Millionen ausschreiben können und konnten dann, das ist einmalig in der Geschichte, für diese drei großen Sozialversicherungen jetzt tatsächlich auch einen Broker gewinnen, der für uns dann sieben Cloud-Angebote von den Hyperscalern bis eben deutsche Angebote wie Stackit, polnische, französische, die souveräner sind, anbieten. Und das ist jetzt für uns ein großer Quantensprung, weil wir können halt ohne Cloud-Nutzung vieles gar nicht skalieren, weder für unsere Kunden noch für unsere Mitarbeiter.
Wintergerst: Ja, also ich muss sagen, ich finde das ja als Bitkom-Präsident echt super, dass Sie das machen. Vor allem der Cloud-Ansatz, der Multicloud-Ansatz ist natürlich klasse, mit vielen verschiedenen Anbietern, auch deutschen Anbietern. Und ich kann Ihnen aus persönlicher Erfahrung sagen, ich bin ja auch CEO eines deutschen Unternehmens, dass das mit der Cloud gar nicht so leichtgängig ist, auch bei den Unternehmen. Man will ja sehr gut überlegen, was man macht. Also man macht das ja am besten vor allem nicht zweimal. Aber jetzt sind Sie ja seit über zwei Jahren auch die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit und gelten auch als die treibende Kraft für die digitale Transformation von Deutschlands größter Behörde. Wenn Sie jetzt mal so aus Ihrer Flugperspektive drauf schauen, wie digital ist denn die BA schon und was wünschen Sie sich denn noch? Da ist sicherlich die Liste lang, aber vielleicht haben Sie ein paar Hauptpunkte, die Sie sich wünschen.
Nahles: Naja, also wir sind schon sehr digital, was dieses Online-Zugangsgesetz angeht. Das erfüllen wir von Anfang an. Aber das heißt ja noch nicht, dass was ich ausgerufen habe, ist eine Dekade der Automatisierung, also end-to-end. Das heißt, ich will auch, dass wir keine Medienbrüche mehr haben auf der Strecke. Ich möchte am Ende die Prozesse so gut optimieren, dass wir sie auch automatisieren können. Wir zahlen ja unheimlich viele Sachen aus: Kurzarbeitergeld, Kindergeld, Bürgergeld, Arbeitslosengeld, Insolvenzgeld. Das sind potenziell auch Sachen, die man auch deutlich automatisierter machen kann als jetzt. Aber auch die KI möchte ich aufschließen für den öffentlichen Sektor. Deswegen haben wir auch an der Stelle jetzt den ersten großen Schritt mit einem Rahmenvertrag mit Aleph Alpha gemacht. Auch hier setzen wir wieder auf einen deutschen Anbieter. Hier setzen wir wieder auf, bis zum Quellcode reingucken können, weil wir sonst eben als Behörde auch nicht mit unseren Sozialdaten entsprechend umgehen können und insoweit, ja, also wir machen Pace, aber wir sind, was die Durchdringung angeht, noch nicht da, wo ich gern sein möchte. Und trotzdem glaube ich, dass gerade in den nächsten zwei Jahren wir noch einen großen Schritt nach vorne machen können. Also wir sind da führend, würde ich sagen, was die Geschwindigkeit und die Ambitionsniveaus angeht, auf jeden Fall in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland.
Wintergerst: Ja, das macht so den Eindruck, zumindest von dem, ich war natürlich auch auf Ihrer Homepage, habe ein bisschen nachgeschaut, selber mal ein paar Workflows angetestet, um zu gucken, wo man dann endet. Und das, muss ich sagen, hat sich schon ganz gut angefühlt, weil es auch ein bisschen mehr von der Benutzerseite aus gedacht worden ist. Und das merkt man schon. Aber wenn Sie jetzt schauen von dem, was noch vor Ihnen liegt, wo sind so die größten Herausforderungen und Hürden, die Sie überkommen müssen? Denn so Digitalisierung von Beratungsprozessen ist doch recht aufwendig. Und Sie haben ja auch 113.000 Mitarbeiter. Das ist ja nun auch mal eine Anzahl.
Nahles: Ja, eine der Sachen, die wir machen müssen, ist unsere Mitarbeiter gewinnen. Wir haben uns gewundert, warum gehen unsere Online-Nutzungsquoten nicht sofort hoch, nachdem wir das OZG erreicht hatten. Naja, weil unsere eigenen Mitarbeiter nicht richtig warm damit geworden sind. Also haben wir sehr viel investiert in die Ertüchtigung, in die Qualifizierung unserer Leute. Und das ist etwas, was uns klar sein muss. Wir sind dann nur so erfolgreich, wie unsere Mitarbeiter auch mitgehen. Und da haben wir große Fortschritte gemacht. Zum Beispiel der Arbeitssuchend-Antrag bei uns hat 70 Prozent Online-Quote mittlerweile schon. Das ist einer unserer Hauptantragsstrecken. Aber das war nur möglich, weil wir eben sehr viel auch in unsere eigenen Leute investieren. Ich glaube, das gilt für den nächsten Schritt KI-Anwendungen. Da haben wir eine ganze Reihe von Voicebots für unsere Kunden, wenn die bei uns anrufen, bis hin zu der Frage, wir haben so viele komplizierte Gesetze, wo wir Rechtsauskünfte erteilen. Da wollen wir so eine Art BA-ChatGPT bauen, so einen BA-Assistenten. Das wollen wir eigentlich schon nächstes Jahr machen, damit auch die eigenen Mitarbeiter den Profit von der ganzen Sache auch irgendwie mitbekommen und auch Vorteile davon haben und nicht nur den Leuten was zumuten. Und letztens, das ist der größte Punkt, wir müssen unsere Prozesse optimieren. Schlechte Prozesse automatisieren braucht keiner. Wir müssen also tiefer einsteigen und das haben wir auch gemacht. Wir haben jetzt jeden unserer Kunden-Kernprozesse in einer Zukunftsfabrik und wollen den optimieren oder sind dabei, die zu optimieren.
Wintergerst: Und wie machen Sie das mit der Zukunftsfabrik? Jetzt bin ich ein bisschen neugierig. Bestücken Sie die mit eigenen Leuten? Haben Sie Berater oder wie gehen Sie das an?
Nahles: Wir haben aus der Fläche ganz viele Leute nach Nürnberg geholt, die im Prinzip die Sachen anwenden, die damit arbeiten jeden Tag. Wir haben aber Leute aus der Zentrale genommen, die haben auch ein Beratungsinstitut, also eine Mischung aus allem. Und die haben erst mal die Ist-Situation aufgezeichnet. Und jetzt sind wir schon bei dem Soll. Wie soll es denn in Zukunft sein? Und das werden wir im nächsten Frühjahr erproben. Und dann werden wir das auswerten. Dann wird das ausgerollt. Das heißt, wir haben wirklich: Ich suche Arbeit, ich interessiere mich für einen Ausbildungsplatz. Das sind ja unsere Kernprozesse. Die haben wir wirklich jetzt in diesen Zukunftsfabriken. Das sind 15 einzelne Zukunftsfabriken, 15 einzelne Kundenkernprozesse. Und das ist schon etwas, ich bitte Sie, normalerweise wird sowas gemacht, wenn irgendwo ein Skandal war oder so. Wir machen das einfach so, weil wir besser werden wollen. Das ist tatsächlich nicht durch irgendwas anderes getrieben, als durch den Ehrgeiz, hier die Vorarbeiten für eine Automatisierung zu erleichtern. Aber auch für unsere Kunden einfach einen besseren Service zu bieten an der Stelle.
Wintergerst: Also es hört sich echt gut an. Wir haben ja jetzt nun auch in Deutschland so einige Behörden. Was würden Sie den Kollegen raten? Würden Sie auch die sagen, die müssen die Mitarbeiter einbeziehen? Denn wir bekommen ja unterschiedlich vorwärts. Das sehen wir an so vielen Stellen in Deutschland. Und so etwas gleichmäßigerer Rhythmus von allen Behörden würde uns wirklich gut tun, weil ja noch viel offen steht.
Nahles: Ja, die Mitarbeiter mitnehmen, das ist ganz wichtig. Ich habe zum Beispiel gemerkt, ich habe eine Jobgarantie ausgesprochen. Und habe gesagt: Niemand verliert hier seinen Job wegen der Automatisierung. Das habe ich über ein Video dann in die gesamte Organisation verteilt. Und das hat unheimlich viel Spannung rausgenommen. Ich habe aber nicht versprochen, dass sich nichts ändert und nicht jeder noch etwas dazu lernen muss. Das muss er natürlich. Und ich glaube, das würde wahrscheinlich an vielen Stellen auch einfach erstmal Ängste abbauen und die Bereitschaft erhöhen. Mancher, wie die Kommunen und auch auf Landesebene, denen fehlt aber auch echt die Kapazität. Also die Kapazität, das Know-how, einfach auch die finanziellen oder personellen Ressourcen. Deswegen glaube ich, müssen wir hier schon eine Allianz in Deutschland bilden. Denn wir werden da als Bundesbehörden, das sehen Sie ja jetzt schon an der Cloud-Ausschreibung, kommen wir schon irgendwie durch, wir schaffen das. Aber was ist denn mit den anderen, mit denen wir Schnittstellen haben? Und wenn die dann nicht digitalisiert sind, dann haben wir die Hälfte des Effekts. Wir wollen natürlich durchgängig, dass es eine große Digitalisierungsgemeinschaft gibt in der öffentlichen Verwaltung.
Wintergerst: Also ich glaube, da müssen wir demnächst mal reden, ob wir nicht ein Bitkom-und-Bundesagentur-für-Arbeits-Gemeinschaftsprogramm machen, dass wir das vorantreiben. Denn wir haben ja als Bitkom wirklich das Interesse, dass Deutschland digital ist, weil es das Land auch attraktiv macht insgesamt. Aber ich muss noch mal kurz auf Ihre Mitarbeiter zurückkommen. Sie beschäftigen ja aktuell ungefähr 113.000 Mitarbeiter. In den nächsten Jahren, also bis 2032, so ist meine Information vorliegend, werden Sie schätzungsweise 35 Prozent von Ihren Mitarbeitern über den Ruhestand verlieren. Das sind 40.000 Leute. Und aus der Bitkom-Studie für die Fachkräfteprognose kommt ja hervor, dass wir wahnsinnig viele Fachkräfte offenstehen haben. Bis 2040 wahrscheinlich über 600.000. Da ist natürlich auch klar, dass Sie versprechen können, dass Sie keine Stellen abbauen. Die gehen ja automatisch. Wie wollen Sie das machen? Und hilft Ihnen Digitalisierung dabei?
Nahles: Ja, ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass wir die Leute, die wir jetzt verlieren, alle wieder rekrutieren können. Das merken wir jetzt schon. Wir bezahlen den öffentlichen Tarif. Wir haben schon in München, in Frankfurt, in Großstädten jetzt schon Schwierigkeiten. Wir rekrutieren zurzeit ca. 8.000 Leute. Wir müssen die Zahl deutlich steigern. Wenn wir die jetzt halten, sind wir schon sehr glücklich. Also habe ich gesagt, ein Teil davon müssen wir einfach durch Automatisierung und Digitalisierung in Zukunft eben nicht mehr rekrutieren müssen. Also sparen wir ein. Und ohne dass dabei die Dienstleistung schlechter wird, sondern im besten Falle sogar günstiger wird. Und deswegen haben wir uns ein Programm, eine Automatisierungsagenda gegeben. Ich weiß nicht, wie viele das sonst in der öffentlichen Verwaltung machen, aber das ist ein ambitioniertes Ziel. Das haben wir als Vorstand vorgegeben. Und daran arbeiten wir und gucken bei allen Projekten jetzt, wer zahlt auf diese Demografielücke wie ein. Wir haben die also beziffert. Wir haben die als wichtigstes unternehmerisches Ziel definiert und versuchen jetzt damit eben dieses Gap, was wir durch die Demografie haben, teilweise zu schließen. Der andere Teil ist zum Beispiel, wir erhöhen deutlich unsere Ausbildungszahlen beispielsweise. Wir bilden dual aus. Wir haben eine eigene Hochschule. Da sind die Studienplätze jetzt auch angestiegen. Also wir haben verschiedene Strategien, aber eine davon ist eben auch Automatisierung.
Wintergerst: Und Weiterbildung, spielt das auch eine Rolle? Also ich komme gerade aus einer Sitzung bei uns im Unternehmen zum Thema KI und wie wir KI nutzen. Und natürlich ist da immer dieses fabulöse Wort Upskilling, das heißt Aufwerten von heutigen Fähigkeiten. Spielt das dann bei Ihnen in der Agentur auch eine große Rolle?
Nahles: Ja, auf jeden Fall. Wir müssen da weiter investieren. Wir haben uns das auch vorgenommen. Wir haben eine Dienstvereinbarung mit unserem Personalrat zum Lernen verabschiedet jetzt in diesem Jahr und haben den Mitarbeitern dann Lerntage eingeräumt. Und die müssen wir natürlich jetzt auch intelligent füllen. Also unter anderem eben auch mit Upskilling zu KI. Da haben wir jetzt auch so eine Art Parcours aufgemacht, wo die Leute, das wird auch richtig gut genutzt, mal selber ausprobieren können. Also es gibt ja auch so etwas wie so eine Hemmung bei KI, haben wir festgestellt. Und wenn man das mal selber dann ausprobiert in so einem Rundkurs, wenn man sich selber hinsetzt und mal Sachen, die noch nicht flächendeckend da sind, aber mal ausprobiert, dann kann man auch sowohl Lust auf die Sachen machen als auch was lernen, aber auch eben Widerstände abbauen. Und für uns war es auch übrigens wichtig, so etwas wie einen KI-Ethikrat einzurichten. Da gibt es Leute, die sich damit beschäftigen, was wollen wir einsetzen, was nicht, und wie wollen wir das einsetzen. Und auch das gibt Sicherheit in diesem Wandel, den wir ja alle miteinander vollziehen müssen.
Wintergerst: Das heißt, KI hat auch große Bedeutung bei Ihnen. Wo sehen Sie denn eigentlich die größten Potenziale für den Einsatz?
Nahles: Also ich denke auf jeden Fall jetzt kurzfristig einfach, zum Beispiel auch beim Lernen. Also Lernbuddies ist da so ein Stichwort. Oder auch die Verfügbarkeit von komplexem Wissen für unsere Beratung. Darüber hinaus definitiv auch im Bereich der Kunden. Wir haben 170.000 Anrufe pro Tag. Und da auch wirklich professionell mit umzugehen, Erreichbarkeitshöhen, Voicebots einzusetzen, das ist ganz zentral. Und nicht zuletzt auch das Matching von Arbeitsstellen und offenen Stellen mit den Menschen. Das können wir unterstützen durch KI. Also Anwendungsfälle, ich könnte einen ganzen Tag darüber erzählen. Wir haben solche Listen. Allein im nächsten Jahr wollen wir 30 Sachen umsetzen. Also das ist wirklich dynamisch. So will ich es mal sagen. Sehr dynamisch, ja.
Wintergerst: Sie haben auch eine wahnsinnige Passion fürs Thema.
Nahles: Ich bin ja der IT-Vorstand. Ich glaube ja, wenn wir über moderne Verwaltung reden, dann muss man das zum zentralen Thema machen. Wissen Sie, die ITler, die waren früher so die Dienstleister, die haben dann dafür gesorgt, dass der Kompi läuft und so was. Heute sind sie ja faktisch Schrittmacher für die Modernisierung. Also die ganze Rolle der IT bei uns in der Behörde hat sich ja wirklich stark verändert, praktisch zum Treiber. Und wir sind natürlich auch weiter Dienstleister in dem Bereich, aber wir sind auch gleichzeitig diejenigen, die die Lösungsräume auch für Probleme aufmachen. Und das ist schon eine ganz andere Verantwortung auch für den gesamten Laden.
Wintergerst: Ja, das Bild hat sich wirklich dramatisch geändert. Darf ich mal kurz fragen, wie haben Sie das bei Ihnen organisiert im Vorstand? Wer macht IT? Und vor allem, wer macht denn die Sicherheit? Weil Sie haben ja viele Kronjuwelen sozusagen, die ganzen Menschendaten. Die müssen ja geschützt sein. Wie haben Sie das organisiert?
Nahles: Ja, man wird es jetzt vielleicht schon geraten haben. Ich mache IT.
Wintergerst: Ich hätte es fast vermutet.
Nahles: Ja, und Stefan Latuski ist mein CEO. Wir haben ein eigenes IT-Systemhaus. Das haben wir jetzt in den letzten zwei Jahren in agile Arbeitsweise umgebaut und die ganze Aufbauorganisation in eine agile Arbeitsform umgewandelt. Ungefähr 2000 Festangestellte sind das. Und dann kommt nochmal dieselbe Anzahl von Leuten aus Dienstleisterbereichen dazu. Also wir sind schon ziemlich groß. Wir haben drei Rechenzentren in Nürnberg auch. Und wir haben jetzt ein eigenes CERT-Team. Wir haben eine eigene Einheit für die Sicherheit. Aber ehrlich gesagt, das ist jetzt wirklich stark, also es ist wirklich stark beansprucht, unser CERT-Team. Und wir haben einen IT-Sicherheitsbeauftragten. Aber wir haben vor allem jetzt uns auch nochmal Expertise von extern zugekauft. Die greifen uns jetzt an, um unsere Schwachstellen auch offen zu legen. Die französische Arbeitsverwaltung ist vor einigen Monaten gehackt worden. 42 Millionen Kundendaten waren plötzlich im Netz. Können Sie sich ja vorstellen, das ist so mein persönlicher Albtraum, dass so etwas passiert. Und da die Angriffe wirklich deutlich zugenommen haben, nehmen wir das schon sehr ernst, haben wir eine eigene Infrastruktur für Sicherheit.
Wintergerst: Ja gut, die Berichte sind nicht so ganz schön, was die IT-Sicherheit betrifft oder die Sicherheit der Datenlage. Wir brauchen alle sichere digitale Infrastrukturen, sonst ist das Vertrauen hin. Wenn wir jetzt mal auf 2025 schauen, es sieht ja so aus, als hätten wir Neuwahlen. Und was Deutschland, die öffentliche Hand, braucht, ist natürlich in der Verwaltungsdigitalisierung Fahrt aufnehmen. Wir hatten es gerade schon mal ganz kurz aufgenommen. Was wären denn Ihre wichtigsten Punkte, die nächstes Jahr insbesondere im Bereich der Regierung, der regierungsnahen Behörden geschehen müssen, damit wir auch als Land wieder attraktiv werden für die Investitionen von anderen Ländern?
Nahles: Naja, also ich denke, wir müssen auf jeden Fall die Steuerung dieser ganzen Digitalfragen auf der Bundesebene verbessern. Es ist jetzt wirklich extrem viel Zeit, auch mit Zuständigkeitsabgrenzung und sonst was. Ich bin jetzt nicht der große Fan von einem Digitalministerium. Das braucht auch wieder zwei Jahre, bis es läuft. Aber man müsste wirklich mal eine andere Steuerung haben, die die verschiedenen Sachen auch mit einer anderen Priorität und mit einer anderen Durchschlagkraft behandelt. Dazu zählen dann auch ernsthafte Diskussionen mit der Datenschutzseite, was wirklich uns auch täglich wirklich viel Arbeit macht. Ich verteidige den Datenschutz. Ich glaube, der ist sehr, sehr wichtig. Und wir gehen mit unseren Daten, wir haben große Datenschätze, verantwortlich um. Aber es kann halt eben nicht sein, dass es hier auch teilweise wirklich zu kompletten Blockaden kommt, von Fortschritten, die wir alle gemeinsam gehen müssen. Hinzu kommt, und das ist schon so ganz viel verstreute analoge Gesetzgebung, die nicht mehr zu digitalen Realität passt. Das Vier-Augen-Prinzip war so einer der Punkte, die mich jetzt die letzten zwei Jahre beschäftigt hat. Bei Leistungsauszahlungen sollten immer zwei paar menschliche Augen auf alles drauf gucken. Ja, ich will aber in die Dunkelverarbeitung gehen. Und da stand eine Verordnung im Wege. Jetzt wurde mir versprochen, dass es ab 1. Januar doch möglich sein sollte, für die BA in die Dunkelverarbeitung zu gehen. Ich drücke mal die Daumen. Das sind so Sachen, wo ich dann sage: Leute, wir müssen eigentlich mal konsequent alles durchpflügen und das auch in eine digitale Zeit heben. Das sind Sachen, die die meisten Leute gar nicht kennen, die uns aber in der Realität dann enorme Hürden in den Weg stellen.
Wintergerst: Also zum Digitalministerium würde ich ja wahnsinnig gerne mit Ihnen jetzt noch lange diskutieren, weil wir als Bitkom eines vorschlagen, weil die Modelle vorher alle nicht so gegriffen haben. Aber da gibt es ja unterschiedliche Ausprägungen. Sie haben ja auch lange Erfahrung in der Politik. Ich habe jetzt noch eine letzte Frage an Sie, Frau Nahles. Die ist ein bisschen vielleicht persönlicher. Aber was ist eigentlich Ihr größter Wunsch für nächstes Jahr? Ob jetzt privat oder geschäftlich? Suchen Sie sich aus, was Ihr größter Wunsch ist.
Nahles: Ja, eigentlich möchte ich, dass Deutschland nicht so in dieser apokalyptischen Weise über sich selbst redet. Ich finde, wir müssen dringend ein paar To-Dos klären. Und die müssen wir angehen. Und wir haben einfach einiges zu tun. Ja, wir sind in einer Transformation. Aber ganz ehrlich, wir haben auch viele Voraussetzungen, um die erfolgreich zu meistern, wie wir es übrigens in der Vergangenheit auch geschafft haben. Deswegen wünsche ich mir eigentlich Zuversicht für das nächste Jahr und viel Luft zum Durchhalten. Denn das wird man beides brauchen.
Wintergerst: Ja, vielen herzlichen Dank, Frau Nahles. Also ich sage mal, was mir die größte Freude in unserem Gespräch gemacht hat. Wir sehen uns jetzt hier im Videobild, aber das Blitzen in Ihren Augen, wenn es an das Thema Digitalisierung geht und was Sie vorangetrieben haben in der Bundesagentur für Arbeit. Und als Bitkom-Präsident muss ich sagen, das braucht man natürlich, solche Vorbilder, die Dinge vorantreiben. Und ich wünsche Ihnen alles, alles Gute für all Ihre Vorhaben in der Bundesagentur, aber auch ganz persönlich für Sie für 2025. Vielen Dank, Frau Nahles!
Nahles: Das gebe ich gerne zurück. Vielen Dank, Herr Wintergerst. Vielen Dank, alles Gute.
Wintergerst: Danke schön.