Ob Softwarelösungen, neue Materialien oder fortschrittliche Maschinen – an Hochschulen und Forschungseinrichtungen entstehen viele Technologien mit großem Potenzial für innovative Startups. Doch viele forschungsbegeisterte Gründerinnen und Gründer stehen vor bürokratischen und institutionellen Hürden, die ihre Ausgründung erschweren oder sogar verhindern können.
"Wir brauchen Beispiele, die den Unis zeigen, dass ein ernsthaftes wissenschaftliches Projekt gleichzeitig ein sehr cooles Startup sein kann", so Gesundheitsökonomin Prof. Dr. Ariel Dora Stern. Im Gespräch mit Get Started erklärt sie, was deutsche Unis von den USA lernen können, warum Gründerinnen immer noch unterrepräsentiert sind und wie die Forschung die Innovationspolitik unterstützen kann.
Ariel Stern: An Universitäten wird oft vorsichtig mit dem Thema Gründung umgegangen. Mir haben schon viele Leute gesagt, dass es an der Uni um Forschung und nicht um Geld geht. Aber keiner behauptet, dass zum Beispiel am MIT keine gute Forschung gemacht wird, weil dort viel gegründet wird. Im Gegenteil: Die besten Leute gehen dorthin, weil sie wissen, dass sie dort Top-Notch Forschung machen und, wenn es gut läuft, auch gründen können.
Deutsche Unis werden hingegen leider oft nervös, sobald es ums Geld geht. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch verständlich. Ich finde es gut, dass das Universitätssystem in Deutschland öffentlich finanziert und unabhängig ist. Aber es muss auch wettbewerbsfähig bleiben und deswegen müssen wir einen Weg finden, gute Ideen akzeptabel zu fördern, ohne dabei große Interessenkonflikte zu verursachen. Es muss möglich sein zu sagen: „Ich habe eine gute Idee und möchte damit Geld verdienen."
Wir können lernen, dass Ausgründungen keine Kompromisse bedeuten! Unternehmertum, Wissenschaft, Forschung und Lehre können sich gegenseitig unterstützen, anstatt getrennt voneinander zu existieren. Damit das in der Wissenschaft verinnerlicht wird, brauchen wir mehr Beispiele, die zeigen, dass ein ernsthaftes wissenschaftliches Projekt gleichzeitig ein sehr cooles Produkt oder ein sehr cooles Startup sein kann - und gutes Storytelling.
Außerdem brauchen wir neue Anreize. Die Anzahl der Patente ist an vielen Instituten eine wichtige Kennzahl. Die Frage sollte aber beispielsweise nicht nur lauten „Wie viele Patente haben wir?“, sondern auch: „Was haben wir damit gemacht?“
Da haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns. Man muss Gründen an allen Stellen für Frauen attraktiver und leichter machen. Zum Beispiel müssen Angebote wie Kurse und Workshops so konzipiert sein, dass sie auch Frauen ansprechen.
Es gibt außerdem zu wenige Investorinnen. Studien zeigen, dass Frauen zum einen stärker in weibliche Gründerinnen investieren und zum anderen auch in Produkte, die für Frauen relevant sind. Wir haben in der Hinsicht eine sehr unausgeglichene Landschaft, weil viele gute Ideen nicht weitergebracht werden. Es fehlen tatsächlich Produkte, die für Frauen wichtig sind, weil diese Ideen oft nicht die nötige Unterstützung erhalten.
Wir haben da in den letzten Jahren definitiv Fortschritte gemacht. Trotzdem ist noch einiges zu tun. Wir müssen die Wege für Startups einfacher machen und mehr Finanzierungsmöglichkeiten schaffen. Dabei sollten wir aber evidenzbasiert vorgehen und schauen, wo wir den größten Impact haben können. Ich habe oft das Gefühl, dass Entscheidungen getroffen werden, weil sie sinnvoll klingen und nicht, weil sie evidenzbasiert sind. Ich wünsche mir viel mehr datenbasierte Innovationspolitik.
Im Healthcare-Bereich lernen wir ziemlich genau, welche Regelungen in der Forschung und Entwicklung wirklich einen Impact haben. Ich habe gerade einen Artikel veröffentlicht, wo wir uns die Breakthrough Therapy Designation (BTD) in den USA anschauen. Das ist eine Auszeichnung von Medikamenten, um die Entwicklung und Zulassung zu beschleunigen. Wir sehen zum einen, dass die BTD die Forschung messbar verkürzt hat und zum anderen, dass in bestimmten Kontexten insbesondere kleinere Firmen davon profitiert haben. Das finde ich sehr spannend.
Was heißt das konkret? Zunächst sollten wir klären, in welchen Bereichen wir Innovationen fördern möchten und anschließend ermitteln, wie wir diese Ziele erreichen können. Hier fehlt es an Studien. Welche Maßnahmen sind effektiv? Wie wirken sie genau? Wo lässt sich der größte Impact erzielen? Mit datenbasierten Antworten auf diese Fragen kann die Forschung der Politik helfen, Subventionen effizient einzusetzen und Rahmenbedingungen zu gestalten.