Wer einen Kitaplatz bekommen oder eine Veranstaltung anmelden möchte, muss in vielen Gemeinden persönlich im Rathaus erscheinen. In Tangerhütte (Sachsen-Anhalt) können Bürgerinnen und Bürger diese Dienste nun online im „Digitalen Rathaus“ wahrnehmen. Früher als geplant, startete die Gemeinde aufgrund der Coronakrise nun ihre digitale Plattform. Ein Gespräch mit Bürgermeister Andreas Brohm über das digitale Bürgerkonto und die Coronakrise als Chance für die digitale Transformation von Kommunen.
Herr Brohm: Durch unser Digitales Rathaus bieten wir für die Bürgerinnen und Bürger nun zahlreiche Verwaltungsdienstleistungen online an, bspw. die Anmeldung des Hundes oder die Beantragung der Erstattung von Kita-Beiträgen. Dadurch können die Bürgerinnen und Bürger die Anträge bequem von Zuhause aus stellen. Sie müssen also nicht mehr für jedes Formular im Rathaus vorbeischauen und können zugleich ihre Anträge schreiben und stellen, wann es ihnen selbst am besten passt. Im Mittelpunkt unseres Digitalen Rathauses steht daher ein Bürgerkonto. Hier kann jeder Bürger direkt seine Bescheide und Anträge online einsehen und über die Themen informiert werden, die ihn individuell interessieren: Wo ist eine Straßensperrung? Wann findet das Osterfeuer statt?
Herr Brohm: Richtig. Es war unser explizierter Anspruch, dass auch Vereine und Unternehmen über ein Online-Konto mit uns in Kontakt treten können. Unternehmen können beispielsweise über unsere Plattform Informationen zu Ausschreibungen als Push-Nachricht bekommen.
Herr Brohm: Natürlich sind unsere Online-Services nur dann vorteilhaft, wenn wir damit auch ohne Medienbruch innerhalb der Verwaltung in den Fachverfahren weiterarbeiten können. So haben wir unseren Workflow auf digitale Prozesse umgestellt. Dadurch konnten wir Prozesse vereinfachen und digitalisieren. Zurzeit werden jeden Monat 300 Lohnzettel ausgedruckt, in Umschläge verpackt und verteilt. Zukünftig möchten wir das digital abbilden und jede/r MitarbeiterIn findet den Lohnzettel in seinem Bürgerkonto. Die digitalen Arbeitsprozesse geben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Freiräume für die eigene Zeiteinteilung, was die Work-Life-Balance fördert.
Herr Brohm: Als Reaktion auf die aktuelle Coronakrise haben wir den normalen Publikumsverkehr im Rathaus erst einmal gestoppt. Wir sind aber dennoch telefonisch und per Mail erreichbar und es können beispielsweise noch Ausweise abgeholt werden. Unsere digitalen Services tragen aber natürlich dazu bei, dass wir viele Anträge und Anfragen ganz normal weiterbearbeiten können. Kurzfristig haben wir unseren Bediensteten aber auch ermöglicht, im Homeoffice zu arbeiten. Hierbei ergeben sich für uns auch neue Fragen z.B. zur Datensicherheit, die wir nach der Krise angehen müssen. Zugleich sehen wir die Krise aber auch als eine Chance, um die Bürgerinnen und Bürger für unsere Idee des Digitalen Rathauses gewinnen zu können.
Herr Brohm: Jetzt ist die Zeit zum Testen, um zu sensibilisieren, auszuprobieren und kreativ zu gestalten. Wir müssen den Bürger mit unseren Ideen erreichen, Gremien überzeugen und unsere Mitarbeiter mitnehmen. Lust auf Veränderung braucht es, die wollen wir wecken. Letztlich müssen wir uns als Kommunen auch häufiger zusammenschließen, um digitale Anwendungen umzusetzen. Hier sollten auch die Landkreise stärker eine koordinierende Rolle einnehmen. Das würde uns Kommunen auch helfen, uns auf Standards zu einigen sowie gestärkt mit IT-Dienstleistern zusammenarbeiten zu können. Letztlich müssen auch wir professionell mit IT-Projekten umgehen, bspw. in dem wir Stellen für IT-Personal und im Projektmanagement schaffen.
Herr Brohm: Natürlich werden wir unsere Erfahrungen mit unseren neuen Angeboten sammeln und dann ausbauen. Das Finanzministerium Sachsen-Anhalt verfügt zurzeit über ein landesweites Konto, das sich allerdings noch in der Lite-Version befindet. Gerne möchten wir unser Bürgerkonto damit vereinen, damit die Funktionen auch landesweit genutzt werden können. Denn jetzt sollten die Bemühungen auf allen Ebenen lösungsorientiert verstärkt werden. Es ist die Zeit, Verwaltung ohne Denkverbote und Zuständigkeiten neu zu denken und umzusetzen. Das ist für viele Schmerzlich, aber die Chance der aktuellen Herausforderung. Letztlich müssen wir uns aber auch die Frage stellen, wie das Rathaus der Zukunft aussieht, das vor Ort und persönlich immer noch die erste Anlaufstelle für viele Bürgeranliegen ist.
Die Website zum Digitalen Rathaus finden Sie hier.