In den Jahren 2020 und 2021 haben die Hochschulen durch die Auswirkungen der Corona-Krise zwangsweise einen Digitalisierungsschub erlebt. Dabei wurde der überwiegende Teil der Vorlesungen in live gestreamte, virtuelle Veranstaltungen mit Präsenzpflicht der Studierenden verlagert. Dass Hochschulen ihren eigenen Studierenden stattdessen digitale Lernangebote im Sinne von mediendidaktisch aufbereiteten Vorlesungen und Seminaren anbieten, die sie zeitlich flexibel und nach Interesse belegen können und sich gleichzeitig in Lerngruppen selbst organisieren können, ist nach wie vor selten. Für nur 11 Prozent der Hochschulen hat diese Form der Digitalisierung einen sehr hohen Stellenwert und nur jede dritte Professorin und jeder dritte Professor gibt an, ihre Hochschulleitung habe eine begeisterungsfähige Vision für digitale Transformation, die über die Verlagerung der Vorlesung in Teams, Zoom oder andere Formate hinausgeht.
Dabei stehen Universitäten heute in ständigem Wettbewerb untereinander. Sie müssen um Studierende werben, attraktive Lehrkonzepte und zukunftsgerichtete Forschungsprojekte bieten. Entsprechend müssen sie die Digitalisierung an ihren Institutionen vorantreiben, neue Kompetenzbereiche schneller aufbauen und in die Skills ihrer Dozierenden und Technologie investieren, um sich auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Den Hochschulen werden hierbei zwei zentrale Aufgaben zuteil: sie müssen zum einen stetige Innovation vorantreiben, zum anderen ihren Studierenden die Fähigkeiten der Zukunft vermitteln.
Die in der Wirtschaft herrschenden kurzen Innovationszyklen sorgen für neue Berufsbilder und Anforderungen an die Kompetenzen der Belegschaft. Doch nicht nur die Berufe der Zukunft ändern sich, auch die Studierenden werden immer heterogener: Weltweit werden immer mehr Studierende an Veranstaltungen der Hochschulbildung teilnehmen und deren Sozialstruktur, Lebenslagen und -entwürfe werden sich wandeln. Es wird vermehrt alleinerziehende, ältere und finanziell unabhängige Studierende geben. Das bestehende Konzept der mehrjährigen Abschlüsse wird durch das lebensbegleitende Lernen ersetzt. Entsprechend kommt auch auf die Hochschullehre eine neue Aufgabe zu: Zum einen muss sie die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Studierenden sicherstellen und sie auf die neue Arbeitswelt vorbereiten, zum anderen muss sie Angebote für das lebenslange Lernen schaffen.
Es gibt aber erste positive Beispiele: So wurden in den letzten beiden Jahren in Deutschland 80 Professoren-Stellen zu künstlicher Intelligenz an den Hochschulen aufgebaut. Mit dem KI Campus entstand ein Bildungsangebot, das hochschulübergreifend wirkt und bei dem es möglich ist, Angebote unterschiedlicher Hochschulen digital zu belegen – von einfachen Kursen bis hin zu ECTS-zertifizierten Maßnahmen. Auch im Bereich eGovernment sind ähnliche Ansätze zu finden. Gerade in diesen themenorientierten Bildungsportalen kann ein Zukunftsweg liegen.
Solche Plattformen bieten den Studierenden die Möglichkeit, personalisierte Lernwege zu öffnen. Sie können die Entwicklung einer neuen Lernkultur unterstützen. Was sich bis heute noch nicht entwickelt hat ist, dass Hochschulen gute digitale Kursangebote in ihre eigenen Curricula für Bachelor oder Master integrieren. Es herrscht immer noch der Gedanke, alle Angebote selbst mit eigenem Personal, eigenen Inhalten und eigener Didaktik anbieten zu müssen. Stattdessen könnten sie viel schneller ihr Leistungsangebot vergrößern, wenn sie mit anderen Hochschulen digitale Lernarrangements eingehen. Hochschulen sollten sich dieser Strategie und Digitalisierungsoptionen öffnen, das heißt gute digitale Angebote mit ihren eigenen Angeboten verknüpfen. Beispiele entwickeln sich wie z.B. beim KI-Campus.org oder dem eGov-Campus.org.
Auf dieser Seite soll näher darauf eingegangen werden, welche technischen Voraussetzungen neue Formen der virtuellen Hochschullehre benötigen, welche pädagogischen, didaktischen und methodische Veränderungen zu erwarten sind und wie digital gestützte Formate in Zukunft ausgestaltet sein können.