Das Bauwesen und seine Geschichte bieten dazu eine schöne Analogie. Die zunehmende Komplexität von Bauvorhaben hat dazu geführt, dass das Bauwesen neben den verschiedenen Gewerken mit Architekten und Bauingenieuren spezialisierte Professionen etabliert hat, die sich wesentlichen Teilaufgaben des Bauens widmen und gleichzeitig den Bau als Gesamtziel im Auge behalten.
Die zunehmende Bedeutung und Komplexität der Digitalisierung führt nach unserer Einschätzung dazu, dass die IT-Branche einen Evolutionsschritt vergleichbar dem Bauwesen machen muss. Es geht nicht darum, die eine “Superprofession” zu etablieren. Wir wollen dedizierte Professionen für die Digitalisierung ausprägen, die als Teamspieler wesentliche Teilaufgaben übernehmen und gleichzeitig das gemeinsame Gesamtbild nicht aus den Augen verlieren.
Wenn Sie diese Sichtweise teilen und unsere Sachen unterstützen wollen, freuen wir uns über Ihre Unterschrift unter unserem Manifest!
Die Geschichte dieses Manifests beginnt bei einem Arbeitskreistreffen des Bitkom zum Thema Rollen in der Softwareentwicklung im Juni 2016. Ausgangspunkt für dieses Treffen war der Gedanke, dass wir in der IT-Welt eine unüberschaubare Anzahl an Rollenprofilen für die verschiedensten Aufgaben haben. Diese vielen Profile behindern die Zusammenarbeit durch zahlreiche Handover und unklare Verantwortlichkeiten. Eine ganzheitliche Sicht, wie sie für die Digitalisierung und digitale Transformation notwendig ist, ist so kaum machbar. Unser Fazit war, dass klar definierte und ganzheitlich operierende Berufsbilder hermüssen, so wie sie in anderen Branchen üblich sind.
Ein erstes Ergebnis der Diskussionen aus dieser Veranstaltung ist dieses Werbeposter zu Software-Berufen (www.erlebe-it.de software-berufe) mit den drei wesentlichen Berufsbildern „Gestalter“, „Ingenieur“ und „Manager“.
Insbesondere der Begriff des „Gestalters“ hat dann für ein gewisses Aufsehen und Interesse gesorgt. Im November 2016 hat Bitkom daher die Taskforce Software-Gestalter gegründet, um das Thema weiter zu beleuchten. Neben vielen inhaltlichen Diskussionen war das Event „Design meets IT“ der absolute Höhepunkt der Taskforce-Arbeiten (https://www.bitkom.org/designmeetsit/). Gut 180 Teilnehmer diskutierten an diesem Tag über Ansätze, Vorgehensweisen und Methoden aus dem Medien-, Produkt- und Industriedesign und gingen der Frage nach „Was kann die IT-Branche von Designern lernen“.
Als Ergebnis der Taskforce Software-Gestalter ist im November 2017 schließlich der Leitfaden zum Rollenideal „Digital Design“ erschienen. Die Betonung liegt vornehmlich auf dem Ideal. Der Digital Designer soll als Vorbild für die Weiterentwicklung bestehender Rollen dienen. Daher ging die Entwicklung des Leitfadens auch von den bestehenden Rollen aus. Er begründet die Notwendigkeit des Digital Design als führende Gestaltungsprofession für die Digitalisierung und charakterisiert das Kompetenzspektrum des Digital Designers mit zwei Schwerpunkten (Gestaltung und Materialkunde für Digitalisierung) sowie einer vielfältigen Querschnittkompetenz. Als Symbol für dieses Profil mit zwei Schwerpunkten haben wir das Symbol Pi gewählt, daher auch das Pi auf dem Deckblatt.
Das Medienecho zur Pressemitteilung des Bitkom zum Leitfaden war überwältigend. Verschiedenste Medien griffen den Digital Designer auf, unter anderem Heise, die Computerwoche und das CIO-Magazin. Auch das Feedback zum Digital Designer bei verschiedensten Konferenzvorträgen war phänomenal.
Es schien, als ob der Digital Designer einen Nerv getroffen hatte. Daher wurde im September 2018 aus der Bitkom-Taskforce „Software-Gestalter“ der Arbeitskreis Digital Design. Seine Heimat ist hier https://www.bitkom.org/digitaldesign/
Der Arbeitskreis widmet sich der Aufgabe, die Etablierung von Digital Design als Gestaltungsprofession der Digitalisierung voranzutreiben. Das erste greifbare Ergebnis ist das Digital-Design-Manifest auf dieser Webseite.
Drei Jahre nach der Veröffentlichung im September 2018 sind über 440 Unterschriften unter das Manifest gesetzt worden. Ob dies eine beeindruckende Zahl ist, können wir nicht sagen. In jedem Fall sind wir überwältigt von den vielfältigsten Reaktionen aus unterschiedlichsten Domänen und der Aufmerksamkeit, die das Digital-Design-Manifest auch noch nach drei Jahren erhält. Daher ist es an der Zeit, die Geschichte an dieser Stelle fortzuschreiben, um den Verlauf unserer Initiative zu dokumentieren.
Nach der Veröffentlichung des Manifests im September 2018 fand im November 2018 das Event IT needs Design statt. Bei diesem Event wurde das Manifest, eingerahmt von verschiedenen Vorträgen aus dem Umfeld des Digital Design, der Öffentlichkeit vorgestellt.
Öffentliche Vorstellung des Digital-Design-Manifest im Rahmen der Veranstaltung „IT needs Design“
Die Vorstellung des Manifests samt symbolischer Übergabe an Vertreter aus Industrie, Forschung und Politik wurde auf Video festgehalten: https://www.youtube.com/watch?v=TVSOhCFNGE8
Die Ideen des Staatlichen Bauhaus waren eine zentrale Inspirationsquelle für das Digital-Design-Manifest. Daher lag es nahe, im Rahmen der inhaltlichen Arbeit zum Digital Design auch einmal an das Bauhaus zu gehen. Im März 2019 fand ein Workshop zum Thema „Digital als Material“ mit eingeladenen Experten am Bauhaus Dessau und unter Teilnahme von Vertretern des Bauhauses statt.
Der Workshop am Bauhaus Dessau war äußerst produktiv und hat viele verschiedene Aspekte des Digital Designs – durchaus kontrovers – diskutiert. Um etwas Bleibendes von diesem Workshop zu schaffen, haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops ihre Gedanken und Einsichten aus dem Workshop im gemeinsamen Sammelband „Digital Design @Bauhaus“ zusammengefasst. Der Sammelband wurde im August 2019 veröffentlicht.
Der Sammelband ist frei verfügbar und kann hier heruntergeladen werden: https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Digital-Design-Bauhaus-Sammelband
Der Workshop am Bauhaus Dessau hat nochmal deutlich gezeigt, wie wichtig die Ideen des Bauhauses für das Digital Design waren. Insbesondere ist deutlich geworden, dass es neue Ansätze zur Ausbildung im Digital Design braucht. Genau wie das Bauhaus vor mehr als 100 Jahren eine neue Ausbildung für Designer und Architekten entwickelt hat, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass dies ebenso für das Digital Design erforderlich ist. Was lag da näher, als die Idee eines Digitalen Bauhauses im Arbeitskreis Digital Design zu entwickeln. Als Ergebnis dieser Arbeit ist im September 2019 das Positionspapier „Digitale Bauhäuser für einen europäischen Weg in die digitale Zukunft“ veröffentlicht worden.
Das Papier kann hier heruntergeladen werden:
https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Digitale-Bauhaeuser-fuer-den-europaeischen-Weg-in-die-digitale-Zukunft .
Darüber hinaus hat Bitkom mit eingeladenen Gästen eine Diskussionsrunde zur Idee des digitalen Bauhauses durchgeführt. Eine Aufzeichnung dieser Diskussionsrunde findet sich hier: https://www.youtube.com/watch?v=QOWVVH5TTXI
Das Jahr 2020 war in allen Belangen von der Corona-Pandemie gekennzeichnet. Arbeitskreissitzungen und Events wurden vollständig in den digitalen Raum verlagert. Dieser Umstand hat der Digital-Design-Initiative aber keinen Abbruch getan. In intensiven Sitzungen wurden verschiedene Aspekte des Digital Design diskutiert und es wurden auch Online neue Freunde und Verbündete gefunden.
Wesentliches Ergebnis der inhaltlichen Arbeit war ist das Digital Design Jahrbuch 2021. Das Jahrbuch hat sich zum Ziel gesetzt, die aktuellen Entwicklungen, Gedanken und Geschehnisse rund um das Digital Design zu sammeln und zu konservieren.
Das Jahrbuch ist kostenlos verfügbar und kann hier heruntergeladen werden:
https://www.bitkom.org/Themen/Digital-Design-Jahrbuch-2021
Neben der inhaltlichen Arbeit hat auch die politische Arbeit trotz Corona große Fortschritte gemacht. Digital Design als Profession ist ein wichtiger Baustein, aber auch nur einer mit Blick auf die Berufsbilder der Digitalisierung. Nicht nur die Gestaltung muss vor dem Hintergrund der Digitalisierung neu gedacht werden, auch alle anderen Gewerke der Digitalisierung müssen sich weiterentwickeln.
Gemeinsam mit verschiedenen Verbänden hat Bitkom das verbandsübergreifende Positionspapier „Erfolgreiche Digitalisierung braucht eigenständige Berufsbilder“ herausgebracht. Es fordert neben der Etablierung von Digital Design als Berufsbild auch die Förderung der ebenso wichtigen Berufsbilder des Digital Engineers und des Data Scientist.
Das Positionspapier und alle Partner können hier eingesehen werden: www.digitalisierungsberufe.de
Die Ankündigung der Initiative „New European Bauhaus“ der EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist wie ein Lauffeuer durch Europa gezogen. Auch der Arbeitskreis Digital Design war mehr als fasziniert von diesem Vorhaben. Unsere Idee vom Digitalen Bauhaus liegt in direkter Nachbarschaft zum New European Bauhaus. Was lag da also näher, als eine Bewerbung als Partner.
Im Juni 2021 war es soweit, Bitkom wurde als Partner der Initiative aufgenommen:
https://europa.eu/new-european-bauhaus/partners-0/partners_en
Nicht nur im Bitkom wurde die Idee des Digital Designs vorangetrieben. Verschiedene Unternehmen und Verbände haben die Idee für sich aufgegriffen. Eine herausragende Initiative in diesem Kontext hat das International Requirements Engineering Board initiiert: Den internationalen berufsbegleitenden Ausbildungsgang „Digital Design Professional“. Mit diesem Ausbildungsgang können sich interessierte Personen basierend auf einem internationalen Standard zum Digital Design Professional ausbilden und zertifizieren lassen.
Weitere Informationen zur Ausbildung finden sich hier: www.digitaldesign.org
Einen Blick hinter die Kulissen des Digital Design Professionals hat während eines BitZips stattgefunden. Eine Aufzeichnung dieser Veranstaltung findet sich hier: https://www.youtube.com/watch?v=R45BaqBK_bk
Gut fünf Jahre sind seit den Anfängen des Digital Design ins Land gegangen. Der kurze Abriss der Geschichte zeigt, dass die Initiative schon viel erreicht hat. Es liegt aber noch viel mehr Arbeit vor uns. Noch ist kein Digitales Bauhaus gegründet und grundlegende Studiengänge zu Digital Design und anderen neuen Berufsbildern der Digitalisierung lassen ebenfalls noch auf sich warten.
Wir machen daher unerschrocken weiter. Gerne würden wir schon heute einen Blick in das Jahr 2025 werfen und wissen, wie dann die Geschichte unserer Initiative aussehen wird.