

Zu den wertvollsten Unternehmen der Welt zählen zahlreiche ehemalige Startups. Sie entwickeln neue Technologien und Geschäftsmodelle, die ganze Wirtschaftszweige disruptieren. Für die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit ist es daher maßgeblich, dass Deutschland mit den großen Startup-Nationen Schritt hält. Seit 2017 wurden wichtige gründungspolitische Maßnahmen umgesetzt. Dazu zählen die Weiterentwicklung bestehender Förderprogramme wie EXIST und INVEST genauso wie die Verabschiedung des Fachkräfteeinwanderungs- und dritten Bürokratieentlastungsgesetzes. Um gegenüber der europäischen und internationalen Konkurrenz bestehen zu können, muss das Tempo bei der Förderung von Startups aber nicht bloß gehalten, sondern erhöht werden.
Maßgeblich für die Attraktivität eines Startup-Standorts ist die Verfügbarkeit von Kapital und Talent. Beide Faktoren stehen in einem Verhältnis wechselseitiger Sogwirkung. Sie sind maßgeblich dafür, ob ein Ökosystem „nur“ in der Lage ist, gute Geschäftsideen, oder in der Folge auch globale Digital-Champions hervorzubringen. Gelingt dieser Übergang, wächst der Startup-Standort künftig aus sich selbst heraus – und weniger staatliche Hilfestellung wird benötigt. An diesem Punkt ist Deutschland noch nicht. Daher muss es jetzt im Interesse der Politik liegen, die richtigen Weichen für einen kapitalstarken Startup-Standort, an dem die klügsten Köpfe aus aller Welt die größten Innovationen von morgen entwickeln, zu stellen.
Die Zahl der Startups wächst. Nicht zuletzt, weil die staatliche Förderung früher Gründungsphasen zuletzt verbessert wurde. Daher sind die Fortführung und Weiterentwicklung dieser Programme wichtig. Das allein genügt aber nicht, um Deutschlands Rückstand bei der Wachstumsfinanzierung zu beseitigen. Ein halbstaatlich finanzierter und privatwirtschaftlich verwalteter Dachfonds, wie er als Modul des Zukunftsfonds vorgesehen ist, ermöglicht es institutionellen Anlegern verstärkt in Startups zu investieren. Dieser Dachfonds kann eine große Hebelwirkung erzielen. Er muss deshalb mit höchster Priorität umgesetzt und anschließend finanziell weiterentwickelt werden. Um auch den Zugang zu Venture Debt zu verbessern, sollten die Bewertungs- und Besicherungsoptionen des Tech Growth Fund ausgeweitet werden.
Um international konkurrenzfähig zu sein, sind Startups auf Top-Talente aus dem In- und Ausland angewiesen. Maßgeblich für deren Verfügbarkeit sind die Rahmenbedingungen von Mitarbeiterbeteiligungen in Startups. Hier liegt Deutschland im internationalen Vergleich weit zurück. Daher herrscht bei den steuerlichen Rahmenbedingungen für echte, wie auch virtuelle Anteile und Anteilsoptionen, dringender Handlungsbedarf. Dazu zählen u. a. die Nachlagerung des Steuerzugriffs oder Erhöhung des Steuerfreibetrags auf 5.000 Euro, auch bei Begrenzung des Adressatenkreises. Mittelfristig muss in Deutschland eine neue Gesellschaftsform, die der digitalen Arbeits- und Wirkungsrealität von Startups entspricht, eingeführt werden.
Das Know-how seiner handelnden Akteure bestimmt die Innovationskraft eines Startup-Ökosystems. Die Weichen dafür werden früh gestellt: Unternehmensgründung und digitale Kenntnisse wie Coding sollten daher strukturiert Einzug in die Lehrpläne der Schulen finden. An Hochschulen sollte ein verpflichtendes, fachübergreifendes Modul „Entrepreneurship“ eingeführt werden, so dass Unternehmertum als möglicher Karriereweg nachhaltig etabliert wird. Eine solche Verbesserung des Bildungsangebots würde sich auch auf den Gründerinnenanteil positiv auswirken, denn noch immer ist nur ein Bruchteil deutscher Gründungsteams weiblich besetzt – verschenktes Wertschöpfungs- und Innovationspotenzial. Ein weiterer Nachteil für Gründerinnen liegt im männlich dominierten Investmentsektor. Der Staat sollte als Vorbild vorangehen und die Investmentteams öffentlicher Fonds sowie Entscheidungsgremien für Startup-Förderungen paritätisch besetzen.
Durch eine stärkere Berücksichtigung vielversprechender Startups bei der Vergabe öffentlicher Aufträge profitieren Staat und Wirtschaft von deren Innovationsfreude und Reaktionsfähigkeit. Mit ihren Ideen können Startups neben der Digitalisierung der Verwaltung auch Jahrhundertprojekte wie die Verkehrs- und Energiewende voranbringen. Startups wiederum brauchen zahlende Kunden, um sich am Markt zu etablieren. Daher müssen bestehende innovative Vergabekriterien und -verfahren vermehrt angewendet werden. Für Beschaffer müssen verpflichtende Schulungsangebote zu eben diesen Instrumenten geschaffen werden. Die Anforderungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge müssen weg von einer vollständigen Risikoeliminierung und hin zu einem angemessenen Risikomanagement. Projekte sollten dabei nicht lösungs-, sondern problemorientiert und möglichst technologieoffen ausgeschrieben werden.
Damit Startups zu Scaleups werden, benötigen sie einen niederschwelligen Zugang zu hinreichend großen Märkten. Hier sind Unternehmen aus China oder den USA bislang im Vorteil. Zur Förderung vielversprechender, innovativer Startups führt daher kein Weg am europäischen Digitalen Binnenmarkt vorbei. Bedingungen für Investoren sollten EU-weit vereinheitlicht werden. Dazu braucht es eine EU-weite Startup-Definition, steuerrechtliche Vergünstigungen und einen EU-Startup-Fonds, der gezielt aufstrebende Startups bei ihrem europaweiten Wachstum fördert. Langfristig sollten Steuerecht und Gründungsvoraussetzungen EU-weit angeglichen und eine „EU-GmbH“ ermöglicht werden.