

Seit 2017 hat sich der Finanzstandort Deutschland weiterentwickelt. Digitale Geschäftsmodelle in den Bereichen Banking, Zahlungsverkehr und Versicherung genießen generationenübergreifend zunehmende Beliebtheit. Denn ein höherer Digitalisierungsgrad bedeutet mehr Innovation, Sicherheit, Transparenz und Individualisierung.
Europa und Deutschland haben das Potenzial, sich als souveräner Standort für Finanztechnologie zu etablieren und damit die Digitalisierung des Finanz- und des Versicherungsbereichs voranzutreiben. Die deutsche Politik sollte sich das Ziel setzen, eine Infrastruktur zu schaffen, die das Hervorbringen globaler Champions – unabhängig ob Neugründungen oder etablierte Anbieter – im Finanzsektor ermöglicht und fördert. Die erfolgreiche digitale Transformation des Finanzstandorts Deutschland hat dabei auch eine bedeutende volkswirtschaftliche Komponente: Zukunftssichere Arbeitsplätze werden geschaffen, die Attraktivität von Städten und Regionen nimmt zu und für internationale Talente wird der Tech-Standort Deutschland attraktiver.
Der Schlüssel hierzu liegt vor allem in Europa. Bereits heute sind wegweisende Entscheidungen in der Finanzbranche (z. B. PSD2, Bankenunion) getroffen worden und dienen als Vorbild für die Vertiefung des Europäischen Binnenmarkts. Für die erfolgreiche Weiterentwicklung ist es unabdingbar, dass der Finanzmarkt stärker in seiner Gesamtheit betrachtet wird, d. h. auch Drittanbieter und nicht-klassische Finanzdienstleister Berücksichtigung finden. In der Umsetzung gilt es einen technologieoffenen, harmonisierten Rahmen zu schaffen, der Skalierbarkeit ermöglicht und damit eine deutsche, inner-europäische und globale Wettbewerbsfähigkeit steigert.
Ziel regulatorischer Vorhaben muss es sein, die Wettbewerbsfähigkeit, Skalierbarkeit und Chancengleichheit eines souveränen, europäischen Finanzmarkts zu stärken. Die Einhaltung und Vertiefung geschaffener Standards, z. B. PSD2-Umsetzung, sollten dabei europaweit forciert werden. Auf nationaler Ebene gilt es – im Sinne der europäischen Harmonisierung – Überimplementierungen zu vermeiden, um grenzüberschreitende Skalierbarkeit zu ermöglichen und innereuropäische Wettbewerbsnachteile abzubauen. Regulierung sollte stets folgenden Leitprinzipien folgen: Technologieoffenheit, Level-Playing-Field und Proportionalität. Drittanbieter, z. B. Infrastructure-, Software-, Banking- oder Insurance-as-a-Service Anbieter, ermöglichen die Operationalisierung innovativer Produktideen. So unterstützen sie Marktteilnehmer dabei sich auf Kernaufgaben zu konzentrieren. Verbindliche Standards für Finanzdienstleister sowie kritische Drittanbieter entlang der digitalen Wertschöpfungskette sollten Einzug in die aufsichtsrechtliche Praxis halten. Das nutzt dem gesamten Ökosystem, da verlässliche Vorgaben die Skalierbarkeit und die Spezialisierung aus Anbieter- und Nutzersicht stärken. Der Grundsatz eines vertieften digitalen Europas zugunsten der Konsumenten muss Leitprinzip einer Revision der Insurance Distribution Directive (IDD) sein.
Die PSD2 schafft einen EU-weiten Rahmen für die verbrauchergesteuerte Datennutzung und den Datenzugang. Das ist essenziell um deutsche Unternehmungen konkurrenzfähig mit globalen Playern zu machen und Lock-in-Effekte zu reduzieren. Konsumenten profitieren von einer Angebotsvielfalt digitaler Geschäftsmodelle und können so souveräne, individuelle Entscheidungen treffen. Die dadurch gesteigerte Transparenz und Nutzerfreundlichkeit sollte auch bei der Errichtung der geplanten Rentenübersicht Berücksichtigung finden. Die Entscheidungsfreiheit, welche Daten mit welchen Unternehmen geteilt werden, sollte gestärkt werden. Dazu braucht es eine einheitliche Auslegung und Anwendung der DSGVO sowie verbraucherseitig verbesserte Datenportabilität, Dateninteroperabilität und Überlegungen zum Einsatz von Datentreuhändern. Verbindliche Standards für offene Schnittstellen (APIs) sind hierfür essenziell. Diese im Rahmen der Digital Finance Strategy der EU-Kommission weiterzuentwickeln, ist ausdrücklich zu begrüßen und auf nationaler Ebene zu berücksichtigen.
Die Grundlage für das Funktionieren vertrauensvoller, digitaler Geschäftsmodelle ist die eindeutige Identifizierung von Kunden. Was Vorgaben und Mechanismen des Identifikationsprozesses anbelangt, unterhält Europa einen stark fragmentierten Markt. Aus unternehmerischer Sicht sind deutsche Vorgaben überkomplex und bilden einen Wettbewerbsnachteil. Daher muss das Etablieren von nutzerfreundlichen, europaweit standardisierten eID und KYC Prozessen forciert werden.[1]
Die Steuerung der digitalen Transformation innerhalb der Finanzbranche braucht eine verstärkte Auseinandersetzung mit zukunftsrelevanten Themen der Finanzindustrie. Innovationen sollten vor allem marktgetrieben sein und durch politische Flankierung gefördert werden. So wäre es wünschenswert, wenn die künftige Bundesregierung beispielsweise technische Konzepte und Pilotprogramme im Kontext des Digitalen Euros aufsetzt. Insgesamt sollte das Innovationspotenzial von Blockchain-basierten Dezentralen Finanzanwendungen (DeFi) im Einklang mit einem einheitlichen, europaweiten Rechtsrahmen gefördert werden.[2] Für das ernsthafte Führen von Innovationsdebatten im Zahlungsverkehr gilt es die Wahlfreiheit zwischen baren und digitalen Bezahloptionen politisch durchzusetzen: Die Akzeptanz mindestens einer europaweit nutzbaren, digitalen Bezahloption an jedem Point-of-Sale muss zum flächendeckenden Standard werden.