Berlin, 26. März 2020 - Vernetzte Schulen, virtuelle Klassenzimmer und adaptives Lernen: Die Digitalisierung kann den Schulunterricht verbessern, den Lernerfolg steigern und die begrenzten Lehrkapazitäten effizienter einsetzen. Das sind die zentralen Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von mehr als 500 Schülern weiterführender Schulen im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Demnach sehen acht von zehn Schülern (83 Prozent) in der Digitalisierung eine Chance für die Schulen. Lediglich jeder Achte (13 Prozent) betrachtet sie als ein Risiko. Investitionen in digitale Technologien und deren Anwendung haben für die Schüler oberste Priorität – und sind sogar noch wichtiger als andere drängende Herausforderungen. So ist für sechs von zehn (59 Prozent) der fehlende Einsatz digitaler Medien das dringlichste Problem an ihrer Schule. Auch eine schlechte technische Ausstattung wird von mehr als der Hälfte (56 Prozent) beklagt. Erst danach kommen andere Probleme wie Unterrichtsausfall (42 Prozent), überfüllte Klassen (38 Prozent) und baufällige Schulgebäude (18 Prozent). Auch die Umgangsformen der Schüler untereinander (43 Prozent), veraltete Lehrinhalte (29 Prozent) und aus Sicht der Schüler inkompetente Lehrer (22 Prozent) sind ein Thema. „Für die Schüler steht die Digitalisierung ganz oben auf der Agenda. Die starke Nachfrage nach digitalen Technologien, digitalen Konzepten und digitalen Inhalten ist ein Auftrag, den alle Schulen annehmen müssen“, sagt Bitkom Präsident Achim Berg.
Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin und Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) Dr. Stefanie Hubig erklärt: „Die Corona-Krise ist ein Stresstest für die digitale Infrastruktur der Schullandschaft, von einem auf den anderen Tag soll das Lernen und Lehren auf digital umgeschaltet werden. Dass das nicht ohne Ruckeln funktioniert, ist ganz klar. Ich bedanke mich trotzdem bei allen, die jetzt rund um die Uhr im Einsatz sind und sich dieser technischen und pädagogischen Herausforderung stellen. Digitale Bildung umfasst mehr als nur die neuen technischen Möglichkeiten, es ist ein pädagogischer und didaktischer Auftrag an das Lernen und Lehren in einer zunehmend digitalisierten Welt. Unsere Schulen nehmen diesen Auftrag an, das zeigen nicht zuletzt die Smart Schools, die als Schulgemeinschaft digitale Innovation und Kreativität leben. Aber natürlich ist auch bei diesem Thema noch viel Luft nach oben. Alle Länder arbeiten deshalb unter Hochdruck daran, noch besser zu werden. Die KMK-Digitalstrategie und der DigitalPakt Schule werden hierbei wichtige Impulse liefern.“
Ihren Lehrern stellen die Schüler laut Bitkom-Studie in puncto Digitales ein überwiegend positives Zeugnis aus. Jeder Fünfte (21 Prozent) erkennt im Großteil seiner Lehrer Technik-Fans. Sechs von zehn (58 Prozent) sagen, ihre Lehrer stehen digitalen Medien überwiegend positiv gegenüber. Nur jeder Elfte (9 Prozent) meint dagegen, die Lehrer seien gegenüber digitalen Medien eher zurückhaltend. Und dass der Großteil der Lehrer digitale Medien grundsätzlich sehr kritisch sieht, meinen gerade einmal 7 Prozent. Was die Ausstattung der Schulen betrifft, sind viele Schüler hingegen kritisch gestimmt. Jeweils drei Viertel beurteilen die Auswahl an digitalen Lernangeboten als zu gering (77 Prozent) und halten die technischen Voraussetzungen für die Verwendung digitaler Lernangebote an ihrer Schule für verbesserungswürdig (75 Prozent). Immerhin jeder Zweite (51 Prozent) urteilt, viele Lehrer hätten keine Lust, digitale Medien im Unterricht einzusetzen. Dabei sind die Schüler von den Vorzügen überzeugt. Nahezu alle (93 Prozent) sagen, digitale Medien machen den Unterricht interessanter. Demgegenüber stehen nur 6 Prozent, sich einen Unterricht ohne digitalen Medien wünschen. Drei Viertel (73 Prozent) sehen den Vorteil, dass durch den Einsatz digitaler Medien besser auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Schüler eingegangen werden kann, etwa mit adaptiven Lernformaten und stärker an den persönlichen Lernfortschritt angepassten Lerninhalten. Sechs von zehn (60 Prozent) sagen von sich, Lehrinhalte durch digitale Medien besser und schneller zu verstehen. Eine Mehrheit (54 Prozent) würde Schulbücher am liebsten durch digitale Angebote ersetzen. Die Schüler wünschen sich zudem, dass sie von der Schule mit IT ausgestattet werden. 85 Prozent meinen, jeder Schüler sollte ein mobiles Endgerät, etwa einen Laptop oder ein Tablet, zur Verfügung gestellt bekommen.
Bei der Vermittlung von digitalen Kenntnissen und Kompetenzen im Unterricht interessieren sich die Schüler vor allem für rechtliche und moralische Fragen. Drei Viertel (74 Prozent) finden, dass rechtliche Grundlagen im Internet, etwa das Urheberrecht, eine stärkere Rolle spielen sollten. Zwei Drittel (65 Prozent) wünschen sich eine verstärkte Vermittlung richtigen Verhaltens in Chats und Sozialen Netzwerken, sechs von zehn (58 Prozent) wollen das Thema Datenschutz intensiver behandeln. Die Wünsche unterscheiden sich zum Teil davon, was aktuell im Unterricht die größte Rolle spielt: Vorn liegen die Nutzung des Internets für Recherchen (88 Prozent) und das richtige Anwenden von Programmen (79 Prozent). Bereits verstärkt vermittelt werden zudem das richtige Verhalten Schüler in Chats und Sozialen Netzwerken (75 Prozent) und Datenschutz im Internet (72 Prozent) – beides sollte nach Ansicht der Schüler aber noch intensiver behandelt werden. „Die Schüler haben ein gutes Gespür für die wichtigen und komplexen Fragen, die auch Erwachsene herausfordern. Das zeigt, wie wichtig Medienkompetenz und Digitalkompetenz mittlerweile geworden sind – beides gehört zwingend auf den Stundenplan“, sagt Berg.
Das Internet ist aus dem Schulalltag nicht wegzudenken – nahezu jeder Schüler (99 Prozent) recherchiert für Hausaufgaben oder zur Unterrichtsvorbereitung online Informationen. Dabei prüfen acht von zehn (83 Prozent) auch die Qualität der Informationsquelle. 57 Prozent suchen gezielt nach weiteren Quellen, die die Informationen bestätigen. 55 Prozent informieren sich über die Quelle selbst. 28 Prozent holen sich Rat von Freunden oder in der Familie. 23 Prozent geben an, sich bei der Informationssuche nur auf bekannte Websites zu beschränken. Und 17 Prozent recherchieren, ob die Quelle in anderen Beiträgen zitiert wurde. Wenn es um den Wahrheitsgehalt von Informationen geht, bringen Schüler Online-Enzyklopädien wie Wikipedia (76 Prozent) das größte Vertrauen entgegen. Auch Suchmaschinenergebnisse (63 Prozent) und Soziale Netzwerke beziehungsweise Messenger (58 Prozent) werden überwiegend als vertrauenswürdig eingestuft. Unter journalistischen Online-Medien werden Nachrichten-Webseiten oder -Apps von Fernsehsendern als am vertrauenswürdigsten (66 Prozent) eingestuft. Das größte Vertrauen genießen demgegenüber Familienangehörige (91 Prozent) und Lehrer (73 Prozent). Auch Wissenschaftler (61 Prozent) haben einen guten Stand. Jeder Zweite (47 Prozent) hält Profi-Sportler für vertrauenswürdig, jeder Dritte (34 Prozent) Journalisten. Vertreter staatlicher Institutionen (21 Prozent) rangieren auf einer Stufe mit Influencern (19 Prozent), abgeschlagen am Ende liegen Politiker (8 Prozent) und Top-Manager in der Wirtschaft (7 Prozent).
Eine Karriere in Technik-Berufen kann sich etwa jeder zweite Schüler (47 Prozent) vorstellen. Im technischen Berufsfeld ist der Ingenieur am gefragtesten (25 Prozent), gefolgt vom Naturwissenschaftler (22 Prozent) und der IT-Fachkraft (15 Prozent). „Immerhin jeder siebte Schüler kann sich eine Karriere als IT-Experte vorstellen. Diese Spezialisten werden dringend gebraucht – die Zahl freier Stellen für IT-Spezialisten hat sich binnen der vergangenen beiden Jahre mehr als verdoppelt . Sie sind auch und gerade in Krisenzeiten gefragt“, sagt Berg. Jeder dritte Schüler (36 Prozent) hat konkrete Vorbilder im IT-Bereich. Am populärsten bei den Schülern mit IT-Vorbildern sind Bill Gates und Mark Zuckerberg (jeweils 18 Prozent). Dahinter werden am häufigsten die eigenen Eltern (13 Prozent) und Influencer (12 Prozent) genannt.
Beim Blick in die Zukunft sind die Schüler eher zurückhaltend. Sechs von zehn (60 Prozent) glauben, dass bis 2030 jedem Schüler ein Tablet zur Verfügung steht. Vier von zehn (43 Prozent) erwarten, dass Klassenarbeiten dann nur noch digital bearbeitet werden. Drei von zehn (30 Prozent) rechnen damit, dass es keine klassischen Schulfächer mehr geben wird. „Im internationalen Vergleich haben Deutschlands Schulen einiges nachzuholen, was die Digitalisierung angeht. Viele Schüler sind zwar von den Vorteilen digitaler Technologien überzeugt, können sich aber nicht vorstellen, dass sie in den kommenden zehn Jahren flächendeckend zur Verfügung stehen“, sagt Berg.
Gleichwohl machen sich heute schon immer mehr Schulen mit Erfolg auf den Weg in die digitale Zukunft. Die besten unter ihnen zeichnet Bitkom als „Smart School“ aus. Smart Schools sind digitale Vorreiterschulen und stützen sich auf die drei Säulen digitale Infrastruktur, digitale Curricula und Lehrinhalte sowie digitalkompetente, geschulte Lehrer. 2020 werden 20 weitere Schulen in neun Bundesländern ausgezeichnet – von Grundschulen über Gesamtschulen und Gymnasien bis zur Berufsschule:
Baden-Württemberg:
Bayern:
Berlin:
Mecklenburg-Vorpommern:
Niedersachsen:
Nordrhein-Westfalen:
Rheinland-Pfalz:
Sachsen-Anhalt:
Schleswig-Holstein:
Beworben hatten sich mehr als 80 Schulen. Gefragt waren die besten Konzepte und Projekte zur Digitalisierung von Schule und Unterricht. Ausgezeichnete Schulen werden Teil des bundesweiten Smart-School-Netzwerks an nunmehr 61 Standorten. Der Wettbewerb wird unterstützt von der Deutschen Telekom. Bitkom hatte den Wettbewerb im Sommer 2017 anlässlich des Digital-Gipfels in der Rhein-Neckar-Region gestartet. Ziel ist es, in den kommenden Jahren flächendeckend Smart Schools einzurichten, von denen andere Schulen lernen können. Weitere Informationen unter www.smart‑school.de.
Hinweis zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt hat. Im Januar und Februar 2020 wurden dabei 503 Schüler im Alter zwischen 14 und 19 Jahren an weiterführenden Schulen in Deutschland, telefonisch befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.