
Digitales im Koalitionsvertrag
Koalition von Union und SPD
Was die Vorhaben im Koalitionsvertrag für die Digitalwirtschaft bedeuten
Was die Vorhaben im Koalitionsvertrag für die Digitalwirtschaft bedeuten
Union und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Aber was bedeutet dieser für die Digitalwirtschaft? Wir haben eine Einordnung zu den wichtigsten Forderungen der Großen Koalition vorgenommen. Seiten- und Zeilenangaben beziehen sich auf den Koalitionsvertrag der GroKo aus CDU, CSU (zum Koalitionsvertrag bei der Union) und SPD (zum Koalitionsvertrag bei den Sozialdemokraten).
Die bewerteten Maßnahmen und Forderungen sind folgenden digitalpolitisch relevanten Themenbereichen zuzuordnen: Arbeit 4.0, Datenschutz, Digitale Bildung, Digitale Infrastruktur, Digitale Partizipation, Digitale Verwaltung, E-Health, Energie, Finanzdienstleistungen, Forschung, Hate Speech, Industrie 4.0, IT-Sicherheit, Künstliche Intelligenz, Landwirtschaft, Medienpolitik, Mittelstand, Mobility, Plattformen, Smart City, Smart Region, Startups, Steuern, Urheberrecht, Verbraucherschutz und Verteidigung.
Wir befürworten, dass ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz geschaffen, eine Nationale Weiterbildungsstrategie eingeführt, sowie flexible Arbeitsmodelle besser ermöglicht werden sollen. Mit Blick auf zeit-und ortsflexibles Arbeiten stellt das Vorhaben allerdings nur einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar. Mutigere und konkretere Vorschläge wären wünschenswert. Viele der Punkte im Koalitionsvertrag sehen wir aber auch potentiell kritisch, da sie entweder KMU benachteiligen oder aber die bereits bestehende Gesetzeslage ausreichend ist.
Grundsätzlich befürworten wir alle Positionen, die sich zur Digitalen Bildung im Koalitionsvertrag finden lassen. Einige Punkte könnten jedoch noch konkreter sein.
Wir sind der Meinung, dass bestehende Datenschutz-Gesetze und insbesondere die DSGVO ausreichen und es auch im Hinblick auf Algorithmen und KI momentan nicht weiterer Sondergesetze bedarf. Die Fragen, die zum Beispiel nun die „Datenethikkommission“ bearbeiten soll, wurden bereits vor fünf Jahren von der Internet-Enquete des Bundestags gestellt und beantwortet. Die Datendebatten wurden geführt, die Konzepte liegen auf dem Tisch, jetzt müssen Entscheidungen getroffen werden. Datenpolitik muss jetzt starten.
Die Vorschläge im Koalitionsvertrag sind viel konkreter als noch im Sondierungsstand, auch wenn nur wenig wirklich neu ist. Ein Positivbeispiel ist die Erwähnung des Pilotierens von Blockchain-Technologie, deren Verwendung durch staatliche Organe zu einem starken Digitalisierungsimpuls für Deutschlands werden kann. Die Aufgaben des Digitalrats, sowie der finanzielle Aspekt bei der Förderung der FITKO durch die E-Government-Agentur werden leider nicht erwähnt – deswegen bedarf es an dieser Stelle noch an Präzisierung.
Erfreulich ist, dass die Chancen der Digitalisierung im Gesundheitswesen im Koalitionsvertrag generell anerkannt wurden. Trotzdem könnten Maßnahmen, wie z. B. Zulassungswege für neue digitale Anwendungen (Z.4739) oder die Fortführung der E-Health-Initiative und Medizintechnik (Z.4754) konkreter ausformuliert und vorangetrieben werden. Momentan handelt es sich nur um vage Ankündigungen.
Die Chancen der Digitalisierung im Energiebereich werden im Koalitionsvertrag anerkannt und einige konkrete Maßnahmen aufgeführt. Maßnahmen zu Smart Grids und Smart Meter-Technologien könnten allerdings noch spezifischer ausformuliert werden.
Wir befürworten, dass die Digitalisierung im Finanzsektor im Koalitionsvertrag im Vergleich zum Sondierungsstand mehr Erwähnung findet. Was genau unter kohärenter Aufsicht und angemessener Regulierung für Finanzmarktakteure und Finanzprodukte zu verstehen ist, bleibt abzuwarten (über die PSD2-Direktive, DSGVO und Bankenspezifischen Regulierungen ist der Markt generell jedoch schon ausreichend abgesichert).
IKT ist die Schlüsselindustrie der digitalen Revolution. Sie zeichnet sich durch kurze Entwicklungszyklen und einen scharfen Wettbewerb aus. Um in diesem dynamischen und kompetitiven Umfeld bestehen zu können, sind erhebliche Investitionen in Forschung und Entwicklung erforderlich. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD enthält einige erfreuliche Ansätze, die es nun zu konkretisieren und in die Tat umzusetzen gilt.
Das NetzDG ist nach Einschätzung renommierter Juristen verfassungswidrig und handwerklich schlecht gemacht ist. Das Gesetz drängt Wirtschaftsunternehmen dazu, Inhalte Dritter zu zensieren und das Recht der freien Meinungsäußerung zu beschneiden. Das Gesetz sollte daher ersatzlos gestrichen werden.
Wir sind erfreut, dass Industrie 4.0 als Schlagwort im Koalitionsvertrag genannt wurde und unterstützen den Ausbau der Plattform Industrie 4.0 sowie die Schaffung einer Plattform, die Verbände, Mittelstand, Kammern und Industrie 4.0 vernetzt.
Grundsätzlich sind die erwähnten Ansätze im Koalitionsvertrag positiv. Wir befürworten, dass Standards „zusammen mit der Wirtschaft“ entwickelt werden sollen. Dennoch besteht die Gefahr, dass hier übereilt gehandelt wird und letztlich eine Regulierung verabschiedet wird, die für Unternehmen technisch nicht umsetzbar ist und die nötige Wirkung beim Verbraucher verfehlt. Außerdem kritisieren wir den nationalen Fokus der erwähnten Maßnahmen.
Wir begrüßen, dass Künstliche Intelligenz als Thema von der Politik aufgegriffen wurde. Wir fordern Deutschland und Frankreich gemeinsam dazu auf, KI auch als Schlüsseltechnologie zu begreifen und nicht urheberrechtliche Hürden in Europa zu schaffen, die den Aufbau künstlicher Intelligenz für europäische Unternehmen unmöglich macht (Art. 3 (Text-and-Data-Mining-Schranke) der DSM-Urheberrechtsrichtlinie).
Wir befürworten, dass die positive Wirkung der Digitalisierung für die Landwirtschaft im Koalitionsvertrag anerkannt wurde. Die Vorschläge und Maßnahmen, die erwähnt wurden, bleiben jedoch weiterhin zu unkonkret.
Wir sind erfreut, dass die Chancen der Digitalisierung auch für den Mittelstand erkannt wurden. Wir befürworten, dass die Digital Hub Initiative fortgesetzt wird. Hier gilt es in der nächsten Legislaturperiode die Maßnahmen konkreter auszuformulieren.
Fortsetzung Digital Hub Initiative, Austausch zwischen Gründern und Mittelstand fördern (S. 43 Z. 1898)
Wir befürworten die zahlreichen konkreten Maßnahmen, die im Bereich der Intelligenten Mobilität vorgenommen werden sollen – im Straßen- sowie im Schienenverkehr. Wir empfehlen jedoch auch, dass bestehende Regelungen mit Blick auf autonome Fahrsysteme auf deren Übertragbarkeit geprüft werden. Möglicherweise offene rechtliche Fragestellungen müssen dann im Fachrecht angepasst werden. Wichtig hierbei: Evaluationsklauseln müssen dafür sorgen, dass bestehende Regelungen mit Blick auf Innovationspotentiale in angemessenen Abständen neu bewertet werden.
Wir befürworten, dass Upload-Filter im Koalitionsvertrag abgelehnt werden, da sie eine Gefahr für das Recht der freien Meinungsäußerung, für das freie Internet und für die Informationsvielfalt sind. Wir lehnen jedoch die vorgeschlagene Verschärfung in der ePrivacy ab. Insbesondere ist hier auf Erhaltung der lange ausverhandelten Balance zu achten, auf Kongruenz zwischen ePrivacy, GDPR und EECC und innovationsfreundlicher, datenschutzgemäßer Sicherstellung des Fernmeldegeheimnisses. Auch eine Revision der E-Commerce-Richtlinie lehnen wir ab. Die ECD ist ein Grundbaustein des Interneterfolges. Ohne das Haftungsprivileg würden auch heutzutage keine neuen Plattformen entstehen. Wir unterstützen die Konkretisierung des Notice-and-Takedown-Verfahrens, nicht jedoch eine Weiterentwicklung.
Die Digitalisierung umfasst alle Bereiche des Lebens und der Daseinsvorsorge in den Kommunen. Wir begrüßen daher, dass im KoaV direkt auf Smart City und Smart Region-Konzepte eingegangen wird. Die deutschen Kommunen benötigen nun flächendeckend konkrete Unterstützung des Bundes, um im internationalen Vergleich nicht weiter an Anschluss zu verlieren. Hierzu sollte u. a. ein bundesweit agierendes "Kompetenzzentrum Digitale Städte und Regionen" zur Förderung, Beratung und Vernetzung der Kommunen eingerichtet werden.
Viele Maßnahmen sind zu befürworten, aber es fehlt weiterhin eine übergeordnete Vision. So wurden viele Maßnahmen bereits 2013 angekündigt (z. B. Gründerzeit analog zur Elternzeit und One-Stop-Shop) und seitdem noch nicht umgesetzt. Einige wichtige Versprechen der vergangenen Legislatur wie die Einführung eines Wagniskapitalgesetzes wurden sogar komplett fallengelassen. Maßnahmen für Startups anzukündigen reicht aber nicht aus, noch dazu wenn sie teilweise sehr vage bleiben und als reine Prüfaufträge formuliert sind.
Mit Blick auf Digitalunternehmen scheint die große Koalition vor allem an Steuervermeidung und Steuerumgehung zu denken, die es zu bekämpfen gilt. Dabei wird nicht unterschieden zwischen illegaler Steuervermeidung und legaler Steuergestaltung. Auch sind einige Aussagen zur Steuerpolitik im Koalitionsvertag bis zu einem gewissen Grade inkonsistent.
Obwohl die letzte Unternehmenssteuerreform in Deutschland bereits 10 Jahre zurückliegt und der internationale Steuerwettbewerb spätestens mit der Reform in den USA zum 1.1.2018 wieder an Fahrt aufgenommen hat, gibt der Koalitionsvertrag wenig Anlass zur Hoffnung auf eine substantielle Stärkung des Steuerstandorts Deutschland.
Wir sehen einige Chancen und mehrere Herausforderungen in den Passagen zum Urheberrecht im Koalitionsvertrag. Beispielsweise begrüßen wir den geplanten Systemwechsel bei Privatkopieabgaben. Einen direkten Vergütungsanspruch von Urhebern und ausübenden Künstlern lehnen wir allerdings ab, weil er die ohnehin hoch komplexen Rechteklärungen um ein vielfaches komplexer macht. Wir unterstützen jedoch mehr Transparenz für den Urheber in der Verwertungskette. Der Urheber muss starke Auskunftsansprüche gegenüber seinem Vertragspartner haben. Die Aussagen im Koalitionsvertrag zu Art. 13 sind widersprüchlich. Uploadfilter – so ist es im KoaV festgeschrieben – werden von den Koalitionspartnern abgelehnt (s. Kommentar zu Plattformen). Diese Position sollte sich auch zu Urheberrecht wiederfinden. Filterpflichten kämen einer Zensur gleich und würden insbesondere kleine Provider stark benachteiligen.
System der Vergütung für gesetzlich erlaubte Nutzungen auf eine neue Grundlage stellen, indem moderne Nutzungsformen einbezogen werden und die an Urheberinnen und Urheber sowie Leistungsschutzberechtigte zu zahlende angemessene Vergütung effizient, berechenbar und zeitnah bestimmt wird; Vergütung direkt bei der nutzenden Einrichtung (S. 132 ab Z. 6243) – Wir begrüßen, dass die Bundesregierung das völlig veraltete System der urheberrechtlichen Abgaben grundlegend überarbeiten und hierfür ein technologieneutrales und geräteunabhängiges Finanzierungsmodell einführen will, welches die bestehenden gravierenden Probleme beseitigt und die Vergütung der Urheber dauerhaft sicherstellt.
Wir postulieren generell, dass die bestehenden Gesetze, Transparenz- und Verbraucherschutzanforderungen bereits ausreichend sind um den Verbraucher im digitalen Zeitalter zu schützen. Es sollte insbesondere kein Sonderrecht geschaffen werden. Besser wäre es, wenn das bisherige Recht angewandt und ggf. die Durchsetzungsmechanismen gestärkt werden. Hier sind bereits mehrere Initiativen in Arbeit (z. B. Musterfeststellungsklage zur Stärkung des kollektiven Rechtsschutzes). Es sollte nicht an mehreren Stellschrauben gleichzeitig gedreht werden. Die Auswirkungen neuer Regelungen sollten zunächst abgewartet und dann der Handlungsbedarf geprüft werden.
Mit der Neuordnung des Cyber- und Informationsraums sind das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) und Bundeswehr bereits konsequent einen neuen Weg gegangen. Wir befürworten, dass die weitere konsequente Digitalisierung der Bundeswehr mit den erforderlichen Ressourcen unterstützt wird und die Maßnahmen aus dem Weißbuch 2016 weitergeführt werden.