Manipulation [Ma] beschreibt zunächst die physikalische Interaktion eines Manipulators – z. B. eines Roboters mit Greifer – mit seiner Umgebung und deren Objekten. Beispielsweise werden Güter gegriffen, um einen bestimmten Ordnungszustand zu erreichen oder sie zu vereinzeln. Das KI-Element Manipulation [Ma] kommt hier bei der Planung und Durchführung einer Handhabungsaufgabe ins Spiel. KI-Systeme werden eingesetzt, um das zu greifende Objekt in einem Kamerabild zu erkennen und gleichzeitig den Greifpunkt zu bestimmen, d. h. die Stelle, an der das Objekt gegriffen werden kann. Hierzu sind diese KI-Systeme echtzeitnah in die Steuerung des Manipulators eingebunden. Das KI-Element erlaubt es einem Roboter, bisher unbekannte Objekte selbstständig zu erkennen und erfolgreich zu greifen.
Manipulation [Ma] wird überall dort eingesetzt, wo repetitive Handhabungsaufgaben von einem Roboter mit Kamerasystem automatisiert werden. Im industriellen Umfeld finden sich solche Aufgaben in der Produktion bei der Beladung von Werkzeugmaschinen wie auch am Ende der Produktionsstraße beim Palettieren und im Lager beim Kommissionieren. Manipulation [Ma] erlaubt es auch, den Roboter in unstrukturierten Umgebungen abseits der Produktion einzusetzen. Hierzu zählen Manipulationsaufgaben beim Befüllen von Regalen im Einzelhandel oder als Assistenzsystem im Haushalt und der Pflege.
Die Vielfalt an Objekten in Bezug auf Größe, Farbe, Oberfläche, Geometrie, Gewicht und Steifigkeit stellt die Automatisierung von Manipulationsaufgaben vor große Herausforderungen. Der Stand der Forschung wurde zwischen 2015 und 2017 jährlich in der Amazon Robotic Challenge demonstriert. Die Teams hatten die Aufgabe, typische Amazon-Güter aus Regalen zu erkennen und greifen. Objekterkennungsverfahren basierend auf tiefen neuronalen Netzen setzten sich hierbei durch. Google zeigte 2016 in einem großangelegten Experiment, wie Roboter innerhalb von 800.000 Versuchen lernen, unbekannte Objekte zu greifen. Die erzielten Fehlerraten von 10 bis 20 Prozent sind bei Weitem noch nicht industrietauglich, dennoch sind die Ergebnisse wegweisend für den Einsatz des KI-Elements.
Manipulation [Ma] baut auf mehreren KI-Elementen auf. So liefert Image identification [Ii] Daten zur Wahrnehmung der Umgebung, wobei vorwiegend 2D- und 3D-Kameras zum Einsatz kommen und sich eine Bildverarbeitung anschließt. Planning [Pl] sorgt einerseits für die Greifplanung zur Bestimmung der Stelle, an welcher der Kontakt zwischen Greifer und Werkstück hergestellt wird. Andererseits wird eine Bahnplanung für den Roboterarm durchgeführt, um einen kollisionsfreien Weg zum Greifen des Objekts und Ablegen am Zielort zu berechnen. Während der Durchführung von Manipulationsaufgaben müssen durch Decision Making [Dm] auch Entscheidungen autonom getroffen werden, wie z. B. die Auflösung von Mehrdeutigkeiten oder die Sequenzierung von Teilaufgaben. Des Weiteren wird in der Logistik zwischen den beiden Prinzipien »Roboter zu Ware« und »Ware zu Roboter« unterschieden. Für »Roboter zu Ware« muss der Roboter auf einer mobilen Plattform montiert sein. Hierfür wird Mobility Small [Ms] eingesetzt.
Manipulation [Ma] hält zunehmend Einzug in industriell einsetzbare Lösungen. Die Firma Universal Logic nutzt Machine-Learning-Algorithmen zur Manipulation [Ma] in Produktionslinien. Die Firma Righthandrobotics kombiniert das KI-Element mit einem flexiblen Greifer, um eine große Bandbreite von Produkten zu greifen.
Die Handhabung von Objekten ist Bestandteil zahlreicher gewerblicher Arbeitsplätze. So ergab die Erwerbstätigenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) 2006, dass über 7,6 Millionen Erwerbstätige im Arbeitsalltag schwere Lasten (>10 kg bei Frauen, >20 kg bei Männern) heben und tragen müssen. Gleichzeitig werden rund 50 Prozent aller weltweit ausgelieferten Industrieroboter in der Handhabung eingesetzt. Dies belief sich laut der International Federation of Robotics 2016 auf ca. 250.000 Industrieroboter, die potenziell von dem KI-Element Manipulation [Ma] profitieren könnten.
Wie bei jedem KI-Element steigt die Qualität einer Anwendung mit der Größe der verfügbaren Datenbasis. Im Vergleich zu Data-Science-Anwendungen ist die Datenbasis bei Manipulationsaufgaben deutlich geringer. Eine wichtige Hürde zum Training des KI-Elements ist daher die Datengenerierung. Weitere Hürden ergeben sich in den hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit, welche zur physischen Interaktion mit der Umgebung benötigt wird, und den Anforderungen an einen echtzeitnahen Betrieb.
In der Robot Learning Konferenz 2018 wurden zahlreiche Beiträge zur Weiterentwicklung des KI-Elements veröffentlicht. Die University of California, Berkeley, arbeitet im Projekt DexNet an einer cloudbasierten Lösung für Manipulation [Ma].105 Das Fraunhofer IPA und das Institut für Parallele und Verteilte Systeme an der Universität Stuttgart entwickeln Manipulation [Ma] im Projekt DeepGrasping weiter in Richtung des »Griffs in die Kiste« für industrielle Applikationen.